Magazin · Erfolge und Happy Ends · 21. Februar 2022 · 5 Min. Lesezeit
Das Leid der Galgos auf dem Stundenplan: Bildungsprojekte in Spanien
Für viele Menschen in Spanien sind Galgos reine Jagdwerkzeuge. Um Kindern und Jugendlichen den respektvollen Umgang mit Galgos und anderen Jagdhunden näherzubringen, setzen Tierschützende auf Aufklärungsprojekte. Die Stiftung Benjamín Mehnert in Sevilla zeigt, wie Stück für Stück ein besseres Verständnis für die sanften Vierbeiner bewirkt werden kann.

Dies sind nur drei der rund 600 Galgos, die im Tierheim der Stiftung Benjamín Mehnert untergebracht sind. Die Tierschützerinnen und Tierschützer hoffen, dass durch Aufklärung in der jüngeren Generation bald weniger Hunde aussortiert werden. Foto: Galgorettung Fränkisches Seenland e. V.
Ein ganz besonderer Besuch im Ethikunterricht einer weiterführenden Schule in Sevilla: Ein Tierschützer der Stiftung Benjamín Mehnert (kurz FBM) ist heute als Dozent im Klassenzimmer, um den jungen Menschen von seiner Arbeit zu berichten. Er erzählt von verängstigten Galgos, die oft ausgemergelt und verletzt bei ihm im Tierheim ankommen. Dass auch Hunde Respekt und einen würdevollen Umgang verdienen, ist für einige der Zuhörenden eine neue Information, denn besonders in ländlicheren Gegenden kommen die meisten Schülerinnen und Schüler aus Galguerofamilien.
Schon ihre Großväter sind mit den Hunden auf die Jagd gegangen. Sie kennen die sanften Tiere vor allem als Jagdwerkzeuge, nicht als fühlende Lebewesen. Dass die Jäger erfolglose Jagdhunde oder auch verletzte und alte Tiere aus ihrem Bestand entfernen, ist für die jungen Menschen schon immer Normalität.
Warum ist Bildungsarbeit so wichtig?
Rund 600 Galgos, Podencos und andere Jagdhunde warten im Tierheim der Stiftung Benjamín Mehnert in Sevilla auf ein neues Zuhause. Sie alle sind Opfer einer grausamen Tradition: In den meisten europäischen Ländern ist die Hetzjagd mit Hunden verboten. In Spanien wird allerdings noch immer an dieser Methode festgehalten. Sind die Hunde nicht mehr leistungsstark, werden sie einfach aussortiert und landen im Tierheim. Alle Hunde müssen liebevoll aufgepäppelt und medizinisch versorgt werden, denn ihr gesundheitlicher Zustand ist oft schlecht.
Um eine langfristige Veränderung im Land zu bewirken, setzt die FBM schon seit Jahren auf die Aufklärung und Schulung der jungen Generation. Bereits seit 2017 subventioniert die Stadt Sevilla den Ethikunterricht an Bildungseinrichtungen. Mehrfach erhielt die FBM den Zuschlag für den Lehrauftrag und platzierte das Wissen rundum die spanischen Galgos im Lehrplan. Über Generationen gewachsene Traditionen sollen aufgebrochen werden. Denn das Leid der Galgos kann nur beendet werden, wenn junge Menschen die Hunde als Familienmitglieder und nicht als Nutzgegenstände begreifen.
„Aufklärungsarbeit vor Ort in der Bevölkerung ist die Ausgangsbasis für ein dauerhaftes Umdenken.“
Galgorettung Fränkisches Seenland e. V.
Was ist die Stiftung Benjamín Mehnert?
Gisela Mehnert, eine nach Spanien ausgewanderte Deutsche, gründete die Stiftung im Jahr 2000 in Sevilla, um notleidenden Hunden in der Umgebung zu helfen. Schnell wurde sie auf das große Leid der ausgemusterten Jagdhunde aufmerksam. Jahre später gehörte die FBM zu den wenigen Stiftungen, die sich auf die Rettung von Galgos, Podencos und anderen Jagdhunden spezialisiert hatte.
Ziel ist es noch heute, so viele Hunde wie möglich in Obhut zu nehmen, zu versorgen und innerhalb Spaniens oder auch nach Deutschland, in die Schweiz oder sogar die USA zu vermitteln. Doch das allein genügt nicht: Kernaufgabe der Tierschützerinnen und Tierschützer der FBM ist das Vermitteln von Wissen. Durch Aufklärung soll ein Umdenken stattfinden, das Schritt für Schritt die Einstellung der Menschen zu ihren Hunden verändert.

Ein Hund im Unterricht: Spielerisch lernen die Kinder alles, was sie über die Vierbeiner wissen müssen. Foto: Galgorettung Fränkisches Seenland e. V.
Mehr Tierschutz-Kompetenz in Spanien
Neben dem Ethikunterricht an Schulen bietet die FBM seit 2017 in einem eigenen Zentrum Angebote für Hundehalterinnen und Hundehalter sowie Interessierte an. Gemeinsam mit Ethnologen wird hier die gewaltfreie Erziehung der Hunde vermittelt. Darüber hinaus bilden Hundetrainerinnen und -trainer Assistenzhunde aus und bieten Spielstunden für Galgos und andere Vierbeiner an. Besonders beliebt: Dog-Dancing!
Für verhaltensauffällige Hunde gibt es spezielle Kurse, damit die Adoptanten mit eventuell auftretenden Problemen nicht allein gelassen werden. Jeder Hund soll das Zuhause bekommen, das zu ihm passt – auch ein Hund, der besonders ängstlich oder sogar traumatisiert ist.
Mit den Galgueros (Jäger, die mit Galgos auf die Jagd gehen) führen die Mitarbeitenden der FBM immer wieder Gespräche. Sie sensibilisieren dafür, die Hunde artgerecht zu behandeln und klären über die richtige Haltung der Vierbeiner auf.

Jeder Hund ist einzigartig. Beim Training der FBM lernen Halterinnen und Halter, auf die Bedürfnisse von verhaltensauffälligen Vierbeinern richtig einzugehen. Foto: Galgorettung Fränkisches Seenland e. V.
Was bewirken Aufklärungsprojekte für die spanischen Galgos?
Durch die Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit über den Missbrauch der Galgos ist die spanische Bevölkerung nun deutlich informierter über das Leid der Hunde. Die Menschen realisieren, dass Hunde keine Jagdinstrumente sind, sondern liebenswerte Geschöpfe und ideale Familienmitglieder. Immer mehr Galgos können direkt innerhalb Spaniens vermittelt werden, weil sie für einige Menschen nun nicht mehr Nutztiere, sondern Teil der Familie sind.
Um diese wirkungsvollen Projekte durchführen zu können, sind die Helferinnen und Helfer vor Ort auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Die FBM arbeitet mit Tierschutzorganisationen in Europa und den USA zusammen. In Deutschland hilft unter anderem Galgorettung Fränkisches Seenland e. V. der spanischen Stiftung.
Der deutsche Verein ist 2025 bei der Kampagne Hilfe für Galgos in Not von VETO dabei, bei der gezielt Spenden gesammelt werden, um die Tierschützenden in Spanien bei der Versorgung der misshandelten Jagdhunde mit Futter und medizinischen Behandlungen zu unterstützen.
Ist die Versorgung der Tiere gesichert, bleibt den Vereinen mehr Zeit, um den Tierschutz im Land voranzutreiben und eine langfristige Veränderung herbeizuführen. Dank dieser wertvollen Unterstützung konnten schon viele Projekte wie das der FBM umgesetzt werden. Aufklärung ist der Schlüssel für Tierschutzarbeit mit langfristiger Wirkung. Das Beispiel der FBM zeigt, dass Bildung die Macht hat, verinnerlichte Traditionen infrage zu stellen.