Magazin · Hunde-Ratgeber · 19. September 2023 · 14 Min. Lesezeit
Qualzucht bei Hunden: Qualzuchtmerkmale und von Überzüchtung betroffene Hunderassen
Äußerlichkeiten statt Gesundheit: Qualzucht bei Hunden ist ein wachsendes Problem, das immer mehr in die Kritik der Öffentlichkeit gerät. Denn während die betroffenen Hunde oft zu den beliebtesten Hunderassen zählen, leiden sie ein Leben lang unter den Folgen der menschengemachten Schönheitsideale und Überzüchtung.
Qualzuchtrassen sind sehr beliebt, doch ihr Aussehen verursacht häufig gesundheitliche Probleme und großes Leid. Foto: Shutterstock
Von Atembeschwerden und Skelettanomalien bis hin zu Augenerkrankungen und Hautproblemen – die gesundheitlichen Probleme, denen Hunde durch Qualzucht ausgesetzt sein können, sind vielfältig und besorgniserregend. Qualzucht bei Hunden ist ein Thema, das in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Die Popularität bestimmter Hunderassen mit extremen optischen Merkmalen, gepaart mit Statistiken über ihre wachsende Beliebtheit und die Darstellung von überzüchteten Hunderassen in der Werbung oder durch prominente Influencer:innen hat zu einer verstärkten Diskussion über die ethischen und gesundheitlichen Aspekte als Schattenseiten dieser Trends geführt.
Was bedeutet Qualzucht?
Qualzucht bezeichnet die gezielte Zucht von Tieren mit bestimmten Merkmalen, die gesundheitliche Einschränkungen und Leid zur Folge für die betroffenen Hunde haben. Die Auswirkungen von Qualzucht können sich in verschiedenen körperlichen und organischen Problemen äußern, die durch Zucht auf ein bestimmtes Aussehen der Hunde bedingt wurden.
Die Ausprägung des Leids kann dabei durchaus unterschiedlich gravierend sein. Auch ist nicht immer jedes Individuum einer Rasse, die häufig von Qualzuchtmerkmalen betroffen ist, selbst erkrankt. Es gibt jedoch Hunderassen, bei denen der Zuchtstandard der Rasse selbst bereits Qualzuchtmerkmale beschreibt. Einige Rassen können auch mehrere Merkmale gleichzeitig aufweisen.
Abgrenzung vom Begriff Qualzucht und qualvoller „Zucht"
Eine häufige Verwechslung: Was mit Qualzucht nicht gemeint ist, sind die Haltungsbedingungen der Tiere bei ihren Zuchtstätten. Selbst wenn ein Züchter liebevoll und sorgsam mit den Zuchttieren und Welpen umgeht, kann es sich bei den Tieren um sogenannte Qualzucht-Rassen handeln. Entscheidend dabei sind die körperlichen Merkmale der Hunderassen, die Leid verursachen. Der Begriff Qualzucht ist also nicht zu verwechseln mit den qualvollen Lebensumständen, wie sie etwa beim illegalen Welpenhandel vorkommen.
Der Wunsch nach extremen Aussehen hat gesundheitliche Folgen für betroffene Hunderassen. Foto: Shutterstock
Welche Qualzuchtmerkmale gibt es und welche Rassen sind betroffen?
Die Bestimmungen von Qualzuchtmerkmalen basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, Erfahrungen aus der Veterinärmedizin und Tierschutzaspekten. Die Bewertung erfolgt anhand von Kriterien wie möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, genetischen Auswirkungen, Verhaltensstörungen und anderen negativen Konsequenzen für die betroffenen Tiere. Die Gutachten berücksichtigen das Wohlbefinden der Hunde, ihre Lebensqualität und die ethischen Implikationen der Zuchtpraktiken.
Unter anderem werden in einem Gutachten der Sachverständigengruppe Tierschutz und Heimtierzucht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen) die folgenden Merkmale für Qualzuchten beschrieben:
Dilute-Gen: Aufgehellte Fellfarbe
Das Dilute-Gen verursacht eine Aufhellung der Farbintensität des Fells. Oft gebräuchlichen Namen der Fellfarben sind beispielsweise Silber, Charcoal oder Champagner. Die Erkrankung wird durch einen Pigmentmangel verursacht und kann zur sogenannten Color-Dilution-Alopezie (CDA) führen. Eine gestörte Entwicklung der Haarfollikel führt dazu, dass die Hunde bereits im jungen Alter Haarausfall bekommen.
Zusätzlich treten vermehrt Hautentzündungen, Schuppenbildung, Hautveränderungen (Papeln und Pusteln) sowie Infektionen der Haut auf. Die Hunde können an Schwellungen der Lymphknoten und Ödemen leiden. Probleme wie eine angeborene Nebennieren-Insuffizienz und Störungen des Immunsystems wie Infektanfälligkeit und Allergien sind übliche Krankheitsbilder.
Betroffene Rassen:
- American Staffordshire-Terrier
- Dackel
- Dobermann
- Deutsche Dogge
- Französische Bulldogge
- Labrador Retriever
- Greyhound
- Irish Setter
- Pudel
- Yorkshire Terrier
- und weitere
Silberne Labradore mit Dilute-Gen können an Haarausfall und Autoimmunerkrankungen erkranken. Foto: Shutterstock
Schwanzverkrüppelungen: Brachyurien und Anurien
Bei einigen Hunden treten angeborene Veränderungen am Schwanz auf, die als Brachy- und Anurien bezeichnet werden. Diese Veränderungen können unterschiedlich ausgeprägt sein, von verkürzten Schwänzen bis hin zu einem fehlenden Schwanz (Stummelschwanz). Der Schwanz kann auch verdreht (Korkenzieherschwanz) oder geknickt sein. Solche Veränderungen können auch zusammen mit Fehlbildungen an anderen Teilen der Wirbelsäule auftreten, wie Blockwirbeln, Schmetterlingswirbeln oder Keilwirbeln bis hin zu einer Spina bifida (offener Rücken).
Diese anatomischen Abweichungen können zu Beeinträchtigungen des Rückenmarks führen, die wiederum Störungen der Bewegungsfähigkeit der Hinterbeine, Lähmungen sowie Harn- und Kotinkontinenz zur Folge haben können.
Betroffene Rassen:
- Australian Shepherd
- Boston Terrier
- Bobtail
- Cocker Spaniel
- Dackel
- Englische Bulldogge
- Entlebucher Sennenhund
- Französische Bulldogge
- Mops
- Parson Russell Terrier
- Rottweiler
- Welsh Corgi Pembroke
- und andere
Angeborene Schwanzveränderungen wie beim Corgi können Auswirkungen auf die Wirbelsäule und Bewegungsfähigkeit haben. Foto: Shutterstock
(Disproportionierter) Zwergenwuchs: Chondrodysplasie
Disproportionierter Zwergwuchs bei Hunden ist eine genetische Erkrankung, bei der die langen Röhrenknochen und manchmal auch die Gesichtsknochen verkürzt sind. Im Verhältnis zum Rest des Körper sind die Beine verkürzt, häufig auch gekrümmt. Hunde mit dieser Veranlagung sind anfällig für frühe Fehlbildungen und Verkalkung der Wirbelsäule. Dadurch kann es schon bei normalen Bewegungen zu Bandscheibenvorfällen kommen. Besonders Hunde mit einem sehr langen, geraden Rücken und stark verkürzten Beinen sind dafür vermehrt anfällig.
Je nach Ausmaß können die Hunde an Lähmungen und Überempfindlichkeit leiden, oft in Verbindung mit Darmkomplikationen und Inkontinenz. Viele chondrodysplastische Hunderassen zeigen außerdem eine ausgeprägte Brachyzephalie mit den damit verbundenen gesundheitlichen Problemen.
Es besteht eine Anfälligkeit für zum Beispiel weiche oder offene Stellen am Schädelknochen (persistierende Fontanellen), Atemprobleme, Wasserkopf (Hydrocephalus internus) und Fehlstellungen von Knochen und Gelenken. Natürliche Geburten durch den Geburtskanal der Hündin sind oftmals nicht möglich.
Betroffene Rassen:
- Basset Hound
- Dackel
- Französische Bulldogge
- Mops
- Pekinese
- Scottish Terrier
- Sealyham Terrier
- Welsh Corgis
- und andere
Eine Veranlagung zu Bandscheibenvorfälle, Lähmungen, Inkontinenz sind Folgen von verkürzten Gliedmaßen. Foto: Shutterstock
Kurzköpfigkeit: Brachyzephalie, Atemwegssyndrome
Brachyzephalie ist ein Merkmal bei bestimmten Hunden, bei denen der Schädel breit und rund geformt ist, meist sind Gesicht und Schnauze dabei verkürzt, der entstehende Rundkopf und die frontal sitzenden Augen erinnern an ein primatenähnliches Aussehen (Kindchenschema).
Bei Hunden mit verkürzten Schädelknochen treten Probleme im Bereich der Atemwegsorgane auf, die sich innerhalb des Nasen- und Rachenraums befinden. Aufgrund dessen können die Atemwege, insbesondere die Nasenöffnungen und -gänge, verengt sein. Zudem kann das weiche Gaumensegel zu breit sein, was einen ausreichenden Atemluftstrom behindert. Diese Problematik wird als „Brachyzephales Obstruktives Atemwegssyndrom“ (BOAS) zusammengefasst. Diese Atemprobleme treten besonders bei körperlicher Anstrengung oder in warmen Umgebungen auf. Die eingeschränkte Atmung kann die Belastung des Hundes erhöhen und die Fähigkeit zur Thermoregulation beeinträchtigen, was das Risiko eines Hitzschlags deutlich erhöht.
Die ausgeprägte Rundung des Kopfes führt weiterhin dazu, dass die Augen oft weit hervorstehen, was die Hunde anfälliger für Verletzungen der Hornhaut macht. Dies kann zu Entzündungen und anderen Augenproblemen führen. Ein hoher Augeninnendruck kann einen Bulbus-Vorfall verursachen, bei dem das Auge aus der Augenhöhle rutscht.
Darüber hinaus haben einige Hunde mit Brachyzephalie Probleme mit ihrem Gebiss und ihrer Kieferstruktur. Sie können einen Vorbiss haben, bei dem die unteren Zähne vor den oberen liegen, was zu Schwierigkeiten beim Kauen und Fressen führen kann.
Die Einbuchtung des Gesichtsschädels kann zu einer vermehrten Hautfaltenbildung führen, was wiederum Hautprobleme verursachen kann. Zudem besteht bei brachyzephalen Hunden eine Neigung zu Hydrozephalie (Wasserkopf) und Hirntumoren.
Hunde mit ausgeprägter Brachyzephalie haben eine erhöhte Anfälligkeit für Schwergeburten, da die Welpen durch die runde Kopfform den Geburtskanal nicht passieren können. Durch die verkürzte Schnauze sind Hündinnen häufig nicht in der Lage, ihre neugeborenen Welpen aus der Eihaut zu befreien und abzunabeln.
Betroffene Rassen:
- Affenpinscher
- Boston Terrier
- Bordeaux-Dogge
- Boxer
- Cavalier King Charles Spaniel
- Chihuahua,
- Englische Bulldogge
- Französische Bulldogge
- Griffon
- Lhasa Apso
- Mops
- Norwich Terrier
- Pekinese
- Shi-Tzu
- Toy Spaniel
- Yorkshire Terrier
- Zwergspitz (Pomeranian)
- und andere
Das brachyzephale obstruktive Atemwegssyndrom (BOAS) ist die Hauptursache für Atemnot bei Hunden. Foto: Shutterstock
Umgekehrter Rückenhaarkamm, Ridge: Dermoid/Dermoidzysten
Dermoidzysten sind Wucherungen in der Haut auf dem Rücken von Hunden, die manchmal bis in den Wirbelkanal hineinreichen können. Besonders bei der Rasse Rhodesian Ridgeback kommt dieses Merkmal vor. Es wird vermutet, dass es mit dem Gen gekoppelt ist, das für den charakteristischen Rückenkamm (Ridge) verantwortlich ist, bei dem das Fell entgegen der normalen Haarwuchsrichtung wächst.
Die Zysten treten sowohl vor als auch hinter dem charakteristischen Rückenkamm (Ridge) auf. Wenn eine Verbindung zum Wirbelkanal und Rückenmark bestehen bleibt, kann dies zu Lähmungen der Hinterbeine und Überempfindlichkeit führen. Außerdem können entzündliche Infektionen wie Meningitis (Hirnhautentzündung) und Myelitis (Rückenmarkentzündungen) entstehen.
Betroffene Rassen:
- Rhodesian Ridgeback
- Thai Ridgeback
Dermoidzysten können zu Lähmungen und entzündlichen Infektionen führen. Foto: Shutterstock
Nackthunde: Haarlosigkeit
Haarlosigkeit wird bei Nackthunden durch eine genetische Mutation verursacht, bei der die Tiere keine oder nur wenige Haare am Körper haben. Nackthunde haben oft Gebissanomalien, bei denen ihnen bestimmte Zähne fehlen oder schief im Gebiss wachsen. Ihr Immunsystem ist häufig anfälliger für Infektionen. Die Haut ist sehr empfindlich und kann leicht einen Sonnenbrand bekommen oder verletzt werden. Im Sommer werden Nackthunde häufiger von Insekten belästigt und können allergische Reaktionen zeigen.
Nackthunde, die das Nacktgen von beiden Elternteilen in einer bestimmten Kombination erben, sind nicht lebensfähig und sterben entweder vor oder kurz nach der Geburt.
Betroffene Rassen:
- Chinesischer Schopfhund (Chinese Crested Dog)
- Mexikanischer Nackthund (Xoloitzcuintle)
- Peruanischer Nackthund
- American Hairless Terrier
Nackthunde sind gegenüber Umwelteinflüssen nahezu schutzlos. Foto: Shutterstock
Hautfalten
Übermäßige Hautfaltenbildung tritt bei einigen Hunderassen auf. Es kann entweder eine teilweise Faltenbildung im Kopfbereich insbesondere bei brachyzephalen Hunden mit einem starken Stirnabsatz oder eine allgemeine Faltenbildung am ganzen Körper geben. Rassen wie der Basset Hound und besonders der Shar Pei sind bekannt für eine extrem ausgeprägte Faltenbildung.
Die Falten können die normale Funktion der Haut beeinträchtigen. Sie können dazu führen, dass die Haut nicht richtig atmen kann. Sie bieten außerdem einen idealen Lebensraum für Bakterien, Pilze und andere Krankheitserreger, die zu Entzündungen und Hautirritationen führen können. Insbesondere bei Hunden mit tiefen Falten im Gesicht kann es vorkommen, dass die Haare in den Falten die Haut reizen und Ekzeme verursachen. Deshalb ist es wichtig, die Hautfalten regelmäßig zu reinigen und auf Veränderungen zu achten.
Betroffene Rassen:
- Basset Hound
- Bloodhound
- Bulldoggen
- Bullmastiff
- Mastino Napoletano
- Mops
- Shar Pei (Chinesischer Faltenhund)
- Pekinese
- und andere
Übermäßige Hautfaltenbildung beeinträchtigt die Hautfunktionen und bietet Bakterien und Pilzen ein ideales Umfeld. Foto: Shutterstock
Merlesyndrom
Das Merlesyndrom ist eine genetische Auffälligkeit bei Hunden, die zu einer teilweisen Aufhellung der Fellfarbe führt. Die Vererbung dieses Merkmals wird von einem speziellen Gen bestimmt. Hunde, die das Merle-Gen in einer bestimmten Form erben (heterozygot) haben eine Tigerung oder Marmorierung im Fell. Homozygote Merle-Hunde haben dagegen größtenteils oder komplett unpigmentiertes Fell und werden als „Weißtiger“ bezeichnet.
Die Aufhellung des Fells kann zu verschiedenen Augen- und Ohrenproblemen führen, Blindheit und Taubheit sind mögliche Beeinträchtigungen. Zudem kann es zu Gleichgewichtsstörungen, Fortpflanzungsproblemen und einer erhöhten Sterblichkeitsrate bei den Weißtigern kommen.
Die Schwere der Symptome hängt von der Genkombination ab: Weißtiger sind stärker betroffen als die heterozygoten Tiger. Aus ethischen Gründen sollte die Zucht von Weißtigern oder die Paarung von zwei heterozygoten Merle-Hunden vermieden werden, da dies zu Leiden führen kann.
Betroffene Rassen:
- Australian Shepherd
- Bobtail
- Collie
- Dackel
- Deutsche Dogge
- Dunkerhund
- Französische Bulldogge
- Sheltie
- Welsh Corgi
- und andere
Bei falscher Verpaarung von Merkmalsträgern des Merle-Gens können Folgen wie Taub- oder Blindheit entstehen. Foto: Shutterstock
Grey-Collie-Syndrom
Das Grey-Collie-Syndrom ist eine genetische Erkrankung, die bei einigen Collie-Zuchtlinien auftritt. Es zeichnet sich durch eine silbergraue Aufhellung des Fells aus und ist mit schweren Problemen in der Blutbildung verbunden, vor allem bei den weißen Blutkörperchen, die für die Infektabwehr wichtig sind. Ein Hauptmerkmal dieser Krankheit ist die zyklische Neutropenie, bei der die Anzahl dieser speziellen Blutzellen in regelmäßigen Abständen stark abfällt.
Aufgrund dieser Störungen in der Blutbildung und des Immunsystems sind die betroffenen silbergrauen Hunde anfälliger für Infektionen, besonders in den Schleimhäuten. Dies führt zu Symptomen wie Zahnfleischentzündungen und Durchfall. Die Hunde müssen normalerweise dauerhaft mit Antibiotika behandelt werden, um sie vor Infektionen zu schützen. Die geschwächte Abwehr gegen Infektionen führt meist dazu, dass die Hunde das Erwachsenenalter nicht erreichen und vorzeitig versterben.
Betroffene Rassen:
- Verschiedene Colliezuchtlinien, betrifft:
- Langhaar-Collie und
- Kurzhaar-Collie
Das seltene Grey-Collie-Syndrom führt zu einer stark verkürzten Lebenszeit. Foto: Shutterstock
Hänge-Lid: Ektropium
Ektropium ist eine Augenerkrankung, bei der der untere Rand des Augenlids nach außen rollt. Dadurch wird das „rote Auge“ sichtbar. Besonders Hunderassen mit faltenreicher Haut sind dafür anfällig. Durch das Auswärtsrollen des unteren Lidschlags kann das Augenlid nicht vollständig schließen. Das führt zu Problemen wie vermehrtem Tränenfluss, Bindehautentzündung und Veränderungen an der Hornhaut.
Betroffene Rassen:
- Basset Hound
- Berner Sennenhund
- Bernhardiner
- Bloodhound
- Bulldoggen
- Cocker Spaniel
- Neufundländer
- Shar Pei (Chinesischer Faltenhund)
- und andere
Die hängenden Augenlider können dauerhaft gereizte Augen bei den betroffenen Hunderassen bedeuten. Foto: Shutterstock
Roll-Lid: Entropium
Entropium ist eine Augenerkrankung bei Hunden, bei der sich der Rand des Augenlids nach innen rollt. Die Krankheit tritt besonders bei Hunden auf, die auf tief liegende und/oder kleine Augen gezüchtet wurden. Das Einwärtsrollen des oberen oder unteren Augenlidrandes kann Probleme wie Reibung der Wimpern auf der Hornhaut und Irritationen der Bindehaut verursachen, was schließlich zu Bindehautentzündung und Hornhautentzündung führen kann, die oftmals chronisch verlaufen.
Betroffene Rassen:
- Bullterrier
- Chow-Chow
- Pudel
- Rottweiler
- Shar Pei (Chinesischer Faltenhund)
- und andere
Bei einem Entropium reiben die Wimpern oder das Lid auf der Augenoberfläche. Foto: Shutterstock
Hüftgelenksdysplasie (HD)
Hüftgelenkdysplasie (HD) bei Hunden ist eine Erkrankung, bei der das Hüftgelenk nicht richtig entwickelt ist. Sie tritt vor allem bei großen und schweren Rassen auf, die schnell wachsen. Aber auch kleine Rassen können betroffen sein. Etwa 30 Prozent der Hunde mit HD haben gleichzeitig auch Veränderungen in den Knie- und Schultergelenken.
Bei einer HD sind die knöchernen Teile des Hüftgelenks nicht ausreichend entwickelt. Dadurch kann das Gelenk instabil werden und sich sogar ausrenken (Luxation). Die Folgen dieser Instabilität können Verformungen, Gelenkverschleiß und Verhärtungen der Gelenkkapsel sein, die zu schmerzhafter Lahmheit führen. Die Schmerzen kommen vor allem von den Muskeln um das Gelenk herum, die versuchen, es zu stabilisieren. Arthrose kann bereits im frühen Alter auftreten.
Betroffene Rassen:
- Bernhardiner
- Boxer
- Deutsche Dogge
- Deutscher Schäferhund
- Golden Retriever
- Labrador Retriever
- Leonberger
- Mastiff
- Neufundländer
- Rottweiler
- Sennenhunde (Berner, Entelbucher, Großer Schweizer)
- und andere
Hüftgelenkdysplasie kann zu erheblichen Bewegungseinschränkungen, Arthrose und Schmerzen führen. Foto: Shutterstock
Teacup-Hunde, Zwerghunde
Sogenannte Teacup-Hunde sind das Ergebnis gezielter Züchtungen mit kleinen Zwerghunderassen, um besonders winzige Hunde zu züchten. Bei dieser Praxis werden bewusst die kleinsten und schwächsten Hunde zweier Würfe miteinander verpaart.
Diese Kleinsthunde leiden oft unter einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen aufgrund ihrer genetisch bedingten Zwergenhaftigkeit. Denn nicht alle Organe wie etwa das Gehirn lassen sich bei Hunden in gleichem Maße durch Zucht verkleinern. Dies kann zu einem Wasserkopf (Hydrocephalus) führen, bei dem die Flüssigkeitsräume des Gehirns krankhaft erweitert sind und auf den Schädelknochen drücken. Diese Erkrankung ist schmerzhaft, nicht behandelbar und führt zu einem frühzeitigen Tod.
Die Fontanelle schließt sich oft nicht vollständig, dadurch ist das Gehirn an dieser Stelle nur durch Haut und Fell geschützt. Eine Berührung des Kopfes kann lebensbedrohlich sein. Die Geburt ist oft nur durch einen Kaiserschnitt möglich. Lebershunt, Trachealkollaps, Herz- und Kreislaufschwächen, Gebiss- und Kieferanomalien, fragile Knochen, Untertemperatur und Unterzucker sind weitere mögliche Folgen der Zwergenhundzucht.
Betroffene Rassen:
- Chihuahua
- Malteser
- Papillon
- Shi-Tzu
- Toy-Pudel
- Yorkshire Terrier
- Zwergpinscher
- Zwergspitz (Pomeranian)
- und andere
Die gezielte Zucht auf besonders kleine Größen innerhalb von Hunderassen ist ethisch umstritten, da sie zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führt. Foto: Shutterstock
Taubheit und Blindheit
Taubheit und Augenprobleme können bei Hunden erblich bedingt sein. Sie tritt häufiger bei Hunden auf, die eine sehr helle oder weiße Fellfarbe haben oder merle-farben sind. Hunde mit heller oder weißer Fellfarbe haben oft auch blaue Augen und sind anfälliger für Erkrankungen wie Katarakt (Grauer Star) oder Glaukom (Grüner Star).
Gehörlosigkeit oder Blindheit ist für die betroffenen Hunde eine Einschränkung, da sie wichtige Sinnesreize nicht wahrnehmen können und dadurch in ihrer Kommunikation und Orientierung beeinträchtigt werden.
Betroffene Rassen:
- Australian Cattle Dog
- Bernhardiner
- Bobtail
- Bullterrier, Miniature Bullterrier
- Dalmatiner
- Dogo Argentino
- English Setter
- Französische Bulldogge
- Jack Russell Terrier, Parson Russell Terrier
- und andere
Dalmatiner mit überwiegend weißem Fell und wenigen Punkten haben ein erhöhtes Risiko für Taubheit. Foto: Shutterstock
Riesenwuchs / Gigantismus
Gigantismus ist eine genetisch bedingte Wachstumsstörung, die zu einer übermäßigen Produktion von Wachstumshormonen führt. Riesenwuchs bei Hunden bedeutet, dass sie gezielt extrem groß gezüchtet werden und dadurch Gesundheitsprobleme erleiden können. Diese großen Hunderassen wirken zwar beeindruckend, aber sie leiden oft unter Gelenkproblemen wie Arthrose und Ellenbogen- oder Hüftdysplasien aufgrund der Belastung ihrer Knochen und Gelenke.
Riesige Hunderassen haben eine erhöhte Anfälligkeit für Knochentumore und durch ihren tiefen Brustkorb ein hohes Risiko für eine lebensgefährliche Magendrehung. Sie altern früher und haben eine deutlich kürzere Lebenserwartung als kleinere Rassen.
Betroffene Rassen:
- Bernhardiner
- Deutsche Dogge
- Irischer Wolfshund
- Mastiff
- und andere
Besonders riesige Hunde haben eine stark verkürzte Lebenserwartung. Foto: Shutterstock
Wieso werden Hunderassen immer mehr überzüchtet?
Seit jeher wurden Hunde für außergewöhnliche Fähigkeiten wie Jagen, Hüten oder Bewachen geschätzt, welche eine enge Zusammenarbeit mit dem Menschen erst ermöglichten. Früher wurden Hunde für spezifische Aufgaben gezüchtet, im Laufe der Zeit änderten sich jedoch die Gründe für die Hundehaltung. Erst im 19. Jahrhundert begannen Menschen gezielt und organisiert nach einem optischen Standard definierte Hunderassen zu züchten.
Heute ist für die meisten Menschen ihr Hund ein Gefährte im Alltag ohne eine spezifische Aufgabe. Der Fokus verschob sich weg von der Leistungsfähigkeit in bestimmten Gebieten hin zu einer möglichst unkomplizierten und freundlichen Alltagstauglichkeit als Begleiter. Es ist daher nicht verwunderlich, dass insbesondere unter den sogenannten Gesellschafts- und Begleithunderassen eine Vielzahl von Hunden mit Qualzuchtmerkmalen vertreten sind.
Während des Zuchtprozesses werden bestimmte optische Merkmale hervorgehoben, und die Gesundheit und Widerstandskraft der Tiere rücken oft in den Hintergrund. Menschen greifen in die Fortpflanzung ein, sodass einige Hunde nicht mehr auf natürliche Weise gebären können. Erst durch die moderne Medizin ist es möglich, Nachkommen zu erzeugen und aufzuziehen, die in der Natur nicht überlebensfähig wären und daher der natürlichen Selektion entgehen.
Das Ergebnis einer Zucht nach äußeren Merkmalen führt zu einer besorgniserregenden Übertypisierung auf Kosten der Gesundheit der Hunde. Viele der optischen Rassestandards bedeuten schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Tiere.
Ist Qualzucht verboten? Was sagt das Tierschutzgesetz?
Ja, Qualzucht bei Hunden ist in Deutschland verboten. Das deutsche Tierschutzgesetz enthält den sogenannten Qualzuchtparagrafen, der sich speziell mit der gezielten Zucht von Tieren mit gesundheitlichen Problemen befasst. Dieser Paragraf ist im Tierschutzgesetz unter §11b festgelegt.
Gemäß §11b Tierschutzgesetz ist es verboten, Wirbeltiere durch Zucht so zu verändern, dass ihnen Schmerzen, Leiden, Schäden oder vermeidbare Ängste zugefügt werden. Das bedeutet, dass die Zucht von Hunderassen, die aufgrund gezielter Auslese mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Qualen rechnen müssen, untersagt ist.
Das Ziel des Qualzuchtparagrafen ist es, das Leiden von Tieren durch übertriebene Zuchtmerkmale zu verhindern und das Wohlbefinden der Tiere zu schützen. Züchter und Hundehalter, die gegen dieses Verbot verstoßen, können rechtlich belangt werden und mit empfindlichen Strafen rechnen.
Was besagt der Qualzuchtparagraf? (TierschutzG §11b)
Der Tatbestand der Qualzucht ist laut § 11b des Tierschutzgesetzes erfüllt, „wenn bei Wirbeltieren die durch Zucht geförderten oder die geduldeten Merkmalsausprägungen (Form-, Farb-, Leistungs- und Verhaltensmerkmale) zu Minderleistungen bezüglich Selbstaufbau, Selbsterhaltung und Fortpflanzung führen und sich in züchtungsbedingten morphologischen und / oder physiologischen Veränderungen oder Verhaltensstörungen äußern, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind.“
Warum gibt es trotzdem so viele Hunde, die von Qualzucht betroffen sind?
Ja, Qualzucht ist offiziell verboten, aber die Durchsetzung dieses Verbots gestaltet sich schwierig. Die Kontrolle und Überwachung ist eine komplexe und ressourcenintensive Aufgabe.
Denn es wird nicht die Rasse kontrolliert, sondern immer ein individuelles Tier durch das örtlich zuständige Veterinäramt. Diese Arbeit ist enorm aufwändig und aufgrund knapper Personalressourcen der Veterinärämter oftmals kaum zu bewältigen, was eine flächendeckende Überwachung erschwert. Zudem führen Zuchtverbote oft zu langwierigen Klageprozessen, welche ebenfalls Kapazitäten beanspruchen.
Hunde, die auf ein bestimmtes Schönheitsideal gezüchtet werden, leiden oft unter massiven körperlichen Einschränkungen und Qualen. Dennoch gehören sie zu den beliebtesten Rassen. Die Überzüchtung ins Extreme nimmt seit Jahren kontinuierlich zu. Dabei ändern Zuchtordnungen und neue Richtlinien nur bedingt etwas, denn viele Welpen stammen aus der Vermehrung von Privatpersonen oder werden durch den illegalen Welpenhandel aus Hinterhofvermehrungen im Ausland eingeführt.
Die hohe Nachfrage nach Trend-Hunden führt dazu, dass sie weiterhin angeboten werden. Selbst seriöse Züchter könnten diese Nachfrage nicht bedienen, was kriminellen Machenschaften Tür und Tor öffnet. Diese Vermehrer verkaufen dann häufig zu junge und kranke Welpen, oft sind die Papiere gefälscht oder gar nicht vorhanden.
Was muss sich ändern?
Eine langfristige Lösung gegen Qualzuchten kann nur durch ein geschärftes Bewusstsein besonders bei zukünftigen Hundehalter:innen und einem generellen Verbot, bestimmte Hunderassen zu züchten, handeln und zu importieren, geschaffen werden. Die Niederlande haben bereits ein generelles Zuchtverbot für Möpse und andere kurzköpfige Hunde erlassen.
In Deutschland setzen sich Tierschützende, Hundetrainer:innen, Tiermedizinier:innen und die Bundestierärztekammer ebenfalls für schärfere Regeln ein, um die Qualzucht einzudämmen. Auch wenn in den letzten Jahren die Stimmen lauter werden: Es bleibt noch viel zu tun, um die Gesundheit und das Wohlergehen aller Hunde zu erwirken.