Magazin · Tierschutz aktiv · 19. Oktober 2018 · 4 Min. Lesezeit
Atemlos durch die Zucht – Qualzucht bei Bulldogge, Mops und Co.
Ihr charmantes Gesicht ist zugleich ihr Verhängnis: Viele der sogenannten Plattnasen bekommen nicht ausreichend Luft und müssen operiert werden. Im Interview berichtet Tierschützerin Astrid von ihren Erfahrungen mit dem Thema Qualzucht und rassetypischen Leiden.
Bullrich und Emma in ihrem neuen Zuhause bei Astrid. Foto: Astrid Schoenen
Du hast schon mehreren Rassehunden in Not ein Zuhause geschenkt. Was sind deine Erfahrungen mit typischen Beschwerden?
„Ich persönlich bin halt der Meinung, ein Rassehund hat ganz oft rassetypische Krankheiten. Das hat bei meinem ersten Hund Henry, ein Boxer, angefangen. Der hatte ganz viel mit Allergien, Arthrose und Spondylosen zu tun – also wirklich heftig. Zum Schluss konnte er kaum mehr laufen. Da hatten wir immer so ein Wägelchen, damit er auf die Wiese kann.
Die Atmung ging bei ihm, das war nicht so problematisch. Das war bei meinen beiden englischen Bulldoggen Nela und Emma am schlimmsten. Deshalb habe ich mich bei ihnen für eine OP entschied. Bulldoggen-typisch neigten beide auch zu Hautproblemen, wie zum Beispiel Zwischenzehen-Ekzeme.
Nela und auch mein jetziger Hund Bullrich haben außerdem oft mit entzündeten Augen durch die Rolllider zu kämpfen. Mit Nela waren wir mit diesen Entzündungen fast in Dauerbehandlung. Also der tierärztliche Aufwand ist schon enorm.“
Welche Auswirkungen hat das auf euren Alltag?
“Bei Nela war es halt sehr extrem und bei Henry damals. Da hatten wir echt wie im Altersheim so Pillenschachteln mit verschiedenen Tabletten für jeden Tag. Wenn Nela eine schlechte Phase hatte, gab’s dann hier eine Tablette, da ein Pulver, da eine Creme… Und bei Emma und Bullrich, meine beiden jetzigen Bulldoggen, habe ich das Futter umgestellt. Bei Emma muss ich darauf achten, was ich füttere, weil sie sonst verstärkt Probleme mit den Hautfalten hat.
Bei unseren Spaziergängen merke ich bei Emma auch, dass sie oftmals zurückfällt. Laufen fällt ihr, im Vergleich zu Bullrich, der gerne lange Strecken läuft, wegen ihrer Atmung sichtbar schwer. Generell muss man besonders im Sommer gucken, denn eine Bulldogge ist einfach nicht für den Sommer gemacht, damit kommen die einfach nicht gut klar.
Also wenn ich weiß, dass es jetzt super heiß ist, dann bleiben wir entweder zuhause, planen irgendetwas ohne Hunde oder man fährt irgendwo in den Wald, wo Schatten ist und Wasser. Das hast du zwar auch bei anderen Hunden, wenn du ein verantwortungsbewusster Halter bist, aber ich glaube schon, dass die Bulldogge da wirklich nochmal empfindlicher ist.“
Hündin Emma wurde operiert, damit sie besser atmen kann. Foto: Astrid Schoenen
Wie hilft ein operativer Eingriff bei der Atemproblematik?
„Bei Emma wurde das Gaumensegel gekürzt und die Mandeln entfernt. Bei ihr war das mit der schlechten Atmung wirklich echt massiv. Sie hat nicht nur unter Anstrengung oder bei Hitze, sondern generell einfach sehr gehechelt. Eigentlich kann man es schon gar nicht mehr als hecheln bezeichnen, jeder Hund hechelt – bei ihr war es das reinste Röcheln. Emma ist wirklich der lauteste Hund, den ich je hatte!
Dabei findet sie andere Hunde super, die will rennen, die will spielen. Und man merkt halt: Die kann einfach nicht so wie sie will! Beziehungsweise, oft musste ich sie dann einfach bremsen und sagen: Komm, jetzt ist mal gut. Die röchelt dann nur noch so dermaßen rum! Es ist unglaublich schade, wenn der eigene Hund toben will und du ihn daran hindern musst.
Ist die Zucht überhaupt zu verantworten?
Wenn man das hört, fragt man sich schon: Ist es verantwortlich, solche Hunde überhaupt zu züchten? Selbst wenn das theoretisch bedeuten würde, dass diese Rasse dann irgendwann ausstirbt: Ist das nicht vielleicht die bessere Alternative, als ständig Tiere zu haben, die offensichtlich leiden?!
Das ist ein schwieriges Thema. Leider gibt es wirklich viele Leute, die das so abtun: Ist halt eine Bulldogge, die atmet schwer und fällt halt manchmal um, weil sie keine Luft kriegt. Das ist bei denen halt so … Da denk ich mir: Nein, das ist bei denen NICHT so!“
Ein operativer Eingriff ist immer ein Risiko. Warum ist es das wert?
„Ich habe mich bei Emma und Nela für die OP entschieden, weil ich mir immer sage: Wenn ich einen Hund aufnehme, dann soll es dem so gut wie möglich gehen. Wenn ich ihm das verwehre, stelle ich meine Angst vor Komplikationen in dem Moment irgendwo auch über sein Wohl – doch ich will nicht egoistisch sein, denn das bin ich meinen Tieren schuldig.
Aber klar: Hat man sich dann für die OP entschieden, will man es schon am liebsten hinter sich haben. In der Klinik war ich natürlich nervös und unruhig. Für die Ärzte ist das Routine, doch für mich ist es mein Baby, das ich da abgebe. Auch wenn meine beiden Hündinnen relativ entspannt waren, ist natürlich auch der Stress für den Hund nicht zu vergessen sowie die Einschränkungen während der Genesung.
Ich habe die Hoffnung, dass Emma jetzt nach der OP noch ein bisschen mehr von ihrer Freude am Toben hat und unbeschwert spielen kann. Bei Nela waren die Strapazen der OP es wert, denn sie war danach wirklich ein komplett neuer Hund, der auf einmal Bällchen spielen konnte, was vorher nicht ging.“
Was möchtest du anderen Rasseliebhabern sagen, die überlegen, ein Tier beim Züchter zu kaufen?
Bitte recherchiert und sucht euch den entsprechenden Tierschutzverein! Es gibt für jede Rasse einen Verein, der sich drauf spezialisiert hat, und es gibt auch Welpen im Tierschutz und das auch für jede Rasse. Wenn ihr wie ich so ein begeisterter Fan von den Plattnasen seid, dann bitte adoptiert eine, die eine Familie sucht.
Denn das sind die, die Hilfe nötig haben und die haben das so verdient! Und außerdem – das sieht man ja an Emma, die ursprünglich von einem seriösen Züchter kommt und ich sehe es bei vielen anderen Bulldoggen – sind Züchter keine Garantie für Gesundheit und gutes Verhalten usw. Damit wird ja immer gerne argumentiert.“
Was spricht für dich für eine Adoption?
„Es ist einfach ein schönes Gefühl, einem armen Tier, das es vorher schwer hatte, ein schönes Leben zu ermöglichen. Das ist für mich ein wichtiger Aspekt von Tierschutz: Ich kaufe kein Tier, sondern tue etwas für ein Tier, das gerade wirklich Hilfe braucht. Es fühlt sich einfach gut an und man weiß, man tut das Richtige.
Außerdem sind diese Hunde einfach toll! Sie geben es dir echt so sehr zurück. Und trotzdem haben sie ihr rassetypisches Wesen, wie ihre Sturheit, die mich zwar manchmal in den Wahnsinn treibt, aber gleichzeitig auch der Grund ist, warum ich sie so liebe. Für uns ist ein Leben ohne Hund inzwischen gar nicht mehr vorstellbar. Da würde uns so dermaßen was fehlen!“