Magazin · Tierschutz aktiv · 04. April 2025 · 4 Min. Lesezeit
Berlin setzt auf Hundeführerschein: Verantwortung von Hundehaltern
Berlin will den Hundeführerschein zur Pflicht machen und im Gegenzug die umstrittene Rasseliste abschaffen. Ziel ist mehr Sicherheit – und mehr Verantwortung für alle Hundehalterinnen und -halter. VETO ordnet ein.

Pitbulls und andere als gefährlich eingestufte Rassen könnten in Berlin künftig von der Rasseliste befreit werden. Foto: shutterstock
Ein großer Schritt für Berlins Hundepolitik: Mit dem verpflichtenden Hundeführerschein und dem Ende der Rasseliste will die Hauptstadt ein neues Kapitel aufschlagen – eines, das mehr auf Wissen und Verantwortung setzt statt auf Vorurteile. Doch was bedeutet das konkret für Halterinnen und Halter, Tierheime und den Tierschutz?
Was ist der Hundeführerschein?
Der Hundeführerschein ist ein Sachkundenachweis für Hundehalterinnen und Hundehalter. Wer ihn besteht, darf seinen Hund in Berlin in ausgewiesenen Bereichen ohne Leine führen. Die Prüfung umfasst einen theoretischen Teil (Hundeverhalten, Erziehung, Gesundheit, rechtliche Grundlagen) sowie einen praktischen Teil, bei dem das Mensch-Hund-Team im Alltag getestet wird. Nach Bestehen gibt es die grüne Plakette – das sichtbare Zeichen für geprüfte Sachkunde.
Seit 2016 ist der Hundeführerschein freiwillig. Das soll sich nun grundlegend ändern.
Was plant Berlin konkret?
Laut aktuellem Vorschlag des Berliner Senats soll der Hundeführerschein verpflichtend für alle Hundehalterinnen und Halter werden – und zwar schon vor der Anschaffung eines Hundes. Damit verbunden ist ein Paradigmenwechsel: Die bisherige Rasseliste wird vollständig abgeschafft.
Bislang galten bestimmte Rassen wie Pitbulls, American Staffordshire Terrier oder Bullterrier pauschal als gefährlich. Halterinnen und Halter dieser Hunde mussten ein Führungszeugnis vorlegen, spezielle Auflagen erfüllen und den Hund bei Behörden vorstellen.
Das soll bald der Vergangenheit angehören.
Warum wird die Rasseliste abgeschafft?
Tierschützende, Veterinäre und Experten kritisieren die Rasseliste seit Jahren als wissenschaftlich unbegründet und diskriminierend. Studien zeigen: Das Verhalten eines Hundes hängt stärker von seiner Erziehung als von seiner Rasse ab. Beißstatistiken führen häufig Rassen wie Dackel oder Schäferhunde an – die nicht auf der Liste stehen.
Berlin ist mit der Reform nicht allein: Niedersachsen war eines der ersten Bundesländer, das einen verpflichtenden Hundeführerschein einführte – bereits 2013. Dort müssen Halterinnen und Halter vor oder kurz nach der Anschaffung eines Hundes ihre Sachkunde in Theorie und Praxis nachweisen.
Auch Brandenburg hat einen wichtigen Schritt getan: Seit Juli 2024 werden dort Hunde nicht mehr aufgrund ihrer Rasse als gefährlich eingestuft. Stattdessen wird das Verhalten jedes Hundes individuell geprüft – eine Abkehr von der pauschalen Rasseliste, die immer wieder in der Kritik stand.
Die Entwicklungen in Niedersachsen und Brandenburg zeigen: Es gibt Alternativen zur bisherigen Praxis. Berlin könnte mit dem neuen Hundeführerschein-Modell eine moderne und tierschutzgerechte Lösung auf breiter Basis etablieren – mit dem Ziel, Halterverantwortung zu stärken, statt Hunde pauschal zu stigmatisieren.
Hundeführerschein statt Rasseverbot: Was VETO dazu sagt
„Ein Hundeführerschein für alle? Ja – aber bitte fair, realistisch und tierschutzgerecht.“
– Madita Haustein, VETO
VETO begrüßt den geplanten verpflichtenden Hundeführerschein ausdrücklich – als Ersatz für die pauschalisierende Rasseliste und als sinnvolles Mittel zur Förderung verantwortungsvoller Hundehaltung.
Der Sachkundenachweis ist eine gute Idee – vorausgesetzt, er wird so gestaltet, dass er aufklärt, statt abschreckt. Hunde sind keine Accessoires, sondern Lebewesen mit Bedürfnissen. Wer sie hält, muss wissen, was das bedeutet – unabhängig von Rasse, Alter oder Herkunft des Tieres.
Was wir unterstützen:
- Die Abschaffung der diskriminierenden Rasseliste: Sie hat wissenschaftlich keinen Bestand und war für viele Hunde und Halter eine große Belastung.
- Einen einheitlichen Sachkundenachweis, der auf individuelle Verantwortung statt pauschale Vorverurteilung setzt.
Was uns Sorgen macht:
- Wenn der Hundeführerschein vor der Anschaffung verpflichtend wird, könnte das Adoptionen verzögern oder erschweren – besonders im Auslandstierschutz, wo oft kurzfristig gehandelt werden muss.
- Tierheime und Tierschutzorganisationen, die bereits sorgfältig prüfen, an wen sie Tiere abgeben, dürfen nicht durch neue Vorschriften ausgebremst werden.
- Menschen mit Herz und Verstand für Tiere – aber wenig Geld – dürfen nicht ausgeschlossen werden, nur weil sie sich Prüfung und Vorbereitung nicht leisten können.
„Gerade im Auslandstierschutz müssen Vereine schnell handeln können. Wenn Adoptionsprozesse durch neue Auflagen verzögert werden, kann das Leben kosten“, warnt Madita Haustein.
Unser Appell an die Politik: Der Hundeführerschein ist eine Chance für mehr Tierschutz – wenn er tierschutzfreundlich umgesetzt wird.
Dazu gehört:
- Eine sozial gerechte Ausgestaltung, inklusive finanzieller Förderung für Geringverdienende
- Einbindung von Tierheimen und Tierschutzorganisationen in die Umsetzung
- Flexible Modelle, z. B. begleitete Nachweise während der Eingewöhnung bei Tierschutzhunden
„Ein Hundeführerschein kann Tierschutz stärken – wenn er fair, finanzierbar und alltagstauglich ist. Genau das erwarten wir von der Politik.“
– Madita Haustein, VETO
Fazit: Der neue Hundeführerschein ist mehr als Bürokratie
Der verpflichtende Hundeführerschein kann mehr sein als ein Sachkundenachweis – er kann echtes Verständnis und Wissen im Umgang mit Tieren fördern. Wenn Berlin diesen Schritt konsequent und tierschutzgerecht geht, kann daraus ein Modell für ganz Europa werden.
Jetzt kommt es auf die Umsetzung an – und auf den politischen Willen, aus einem Prüfungsbogen echte Verantwortung zu machen.