Magazin · Tierschutz aktiv · 8. Februar 2024 · 5 Min. Lesezeit
Den Galgos Zuflucht sein: Gudrun Sauter im Interview
Vor rund 20 Jahren begann Gudrun Sauter sich mit dem Schicksal der spanischen Galgos zu beschäftigen. Heute rettet sie mit ihrem Verein das Leben unzähliger Hunde und bringt den Tierschutzgedanken in Spanien weiter voran. Wir haben sie in ihrem Tierheim getroffen.
Gudrun Sauter hat sich mit dem Bau eines Tierheims einen Traum erfüllt und zahlreichen Hunden eine Zukunft geschenkt. Foto: VETO
Refugio ist das spanische Wort für Zuflucht und so nennt Gudrun Sauter auch das Tierheim, in dem wir sie zum Interview treffen. Das Refugio soll ein Ort sein, an dem geschundene Galgos Hilfe und Zuwendung erfahren, ein Ort, der ihnen endlich die Sicherheit bietet, die sie brauchen. Gudrun Sauter ist die erste Vorsitzende des deutschen Tierschutzvereins Tierschutz Spanien e. V. und hat gemeinsam mit dem spanischen Partnerverein Galgos del Sur dieses Tierheim für Galgos, Podencos und andere Jagdhunde in Spanien erschaffen.
Nach neun Jahren Bauzeit ist das Tierheim in der Nähe von Córdoba heute mit 46 großen Zwingern, einem Freilaufgehege, einem eigenen Behandlungsraum sowie einer autarken Stromversorgung das Herzstück der Vereinsarbeit von Gudrun Sauter. Das Refugio spendet Hoffnung und schenkt den Hunden eine Chance auf eine glückliche Zukunft.
Liebe Gugu, bitte erzähle uns, wer du bist und wo wir uns gerade befinden.
Mein Name ist Gudrun Sauter, kurz Gugu, von Tierschutz Spanien e. V. In Deutschland leite ich den Verein, hier in Spanien bin ich, wie viele andere auch, Volontärin. Vor fast zwanzig Jahren habe ich angefangen, mich mit dem Thema Tierschutz in Spanien auseinanderzusetzen. Mein Wunsch war, ein Tierheim in einem geeigneten Areal zu bauen. Wir sind hier etwas außerhalb von Córdoba in einem reinen Agrargebiet. Hier hatten wir durch die Stadt Via Franca die Möglichkeit, ein Tierheim bauen zu dürfen. Aktuell leben hier 150 Hunde, davon 130 Galgos.
Warum sind es so viele Galgos?
Wir sind hier in Andalusien. Das ist eine sehr ländliche Gegend. Die Umgebung lädt dazu ein, die Jagd mit Galgos durchzuführen. Das sind alte Traditionen, die hier fortgeführt werden, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Früher diente diese Jagd auch wirklich zur Nahrungsversorgung, mit diesem Ursprung hat die heutige Jagd aber nichts mehr zu tun.
Der Galgo wird trotzdem weiter gezüchtet. Ich denke, heute hat diese Jagd sehr viel mit Anerkennung zu tun. Können die Galgos und die anderen spanischen Jagdhunde diesen sportlichen Ehrgeiz der Besitzer nicht mehr erfüllen, ereilt sie ein ganz übles Schicksal.
Die meisten Menschen in Deutschland können sich unter dieser Art der Jagd nicht viel vorstellen. Bitte beschreibe uns einmal, wie die Jagd mit Galgos abläuft.
Die Galgueros, also die Jäger, treffen sich. Manche kommen schon morgens um vier, wenn die Dämmerung beginnt, die anderen treffen sich um halb acht. Die Treffpunkte sind meist an irgendwelchen Parkplätzen. Die Jäger haben zwischen 200 und 250 Hunde dabei. Zusammen fahren sie dann in ein bestimmtes Gebiet und dort werden dann die Hunde in Gruppen losgelassen, um zu jagen.
Die Hunde sollen den Hasen, den sie jagen, aber nicht töten. Sie dürfen ihn schütteln, aber nicht verletzten. Das ist wichtig für diese Form der Jagd. Denn die Art und Weise, wie der Hund jagt und den Hasen fängt, wird bewertet, wenn die Galgos zu ihren Besitzern zurückkommen.
Seit 2016 gibt es eine neue Geschäftsvariante der Galgueros. Sie bieten Menschen an, einen Galgo für einen Tag zu mieten, wenn sie das Jagdgefühl auch einmal erleben wollen. Am Freitagabend kommen die Menschen aus der Stadt nach Córdoba und bekommen eine kleine Einführung. Samstagmorgen gehen die Leute dann mit den Jägern auf die Jagd und bekommen einen Hund. Der Hund jagt dann mit den anderen. Kommt der Galgo zurück, ist es gut. Kommt er nicht zurück, ist es auch gut.
Verletzen sich die Galgos bei der Jagd auf offenem Gelände?
Die Verletzungsgefahr ist extrem. Ein Galgo läuft auf gerader Strecke zwischen 50 und 65 Stundenkilometer schnell. Im Steppengebiet gibt es durch Mäuse oder andere Tiere Erdlöcher. Tritt ein Windhund mit seinem Vorderlauf in so eine Mulde, dann kommt es zu den typischen Knochenbrüchen, die viele Galgos hier im Tierheim auch haben.
Viele Hunde verletzen sich auch im Gestrüpp, zum Beispiel in Olivenhainen. Wenn die Galgos dort durchrennen, ist ihr Adrenalin so hoch, dass sie gar kein Schmerzempfinden mehr haben. Wir haben hier schon Hunde aufgenommen, die wirklich aufgeschnitten waren. Der Adrenalinspiegel ist einfach so hoch, dass sie währenddessen gar nichts spüren.
Gudrun Sauter und ihr Team tun alles, um aussortierten Galgos zu helfen. Foto: VETO
Was passiert, wenn ein Galgo keine gute Leistung erbringt?
Bringt ein Galgo nicht die gewünschte Leistung oder beschmutzt die Ehre seines Jägers durch unkluges oder wenig strategisches Verhalten bei der Jagd, wird er ausgesetzt oder anderweitig aussortiert. Manchmal werden solche Hunde zu sehr günstigen Preisen anderen Galgueros angeboten oder sie werden in Tötungsstationen abgegeben. Aber das passiert nicht nur, wenn ein Hund nicht gut genug gejagt hat. Zum Beispiel zum Ende der Jagdsaison Anfang Februar landen Rüden ganz häufig in der Tötungsstation. Der Jäger müsste sie sonst bis zum Start der nächsten Saison, also bis September oder Oktober, in seinem Zwinger durchfüttern.
Bei verletzten Hunden ist klar, was passiert. Ich persönlich kennen keinen Galguero, der Geld für die Operation seines Hundes ausgeben würde. Diese Behandlungen kosten um die 1.800 Euro. Verletzte Tiere werden also grundsätzlich ausgemustert.
Da gibt es sehr grausame Varianten: Im Bestfall wendet sich der Jäger an uns. Wir helfen dem Hund dann und nehmen ihn im Tierheim auf. Viele Galgos werden auch in der Perrera, also der Tötungsstation, abgegeben. Aber viele Jäger kümmern sich kurzerhand selbst vor Ort um die Entsorgung der Hunde. Sie werden dann zum Beispiel irgendwo im Hinterland ausgesetzt, so dass sie nicht mehr zurückfinden und sterben.
In der letzten Zeit haben wir auch viele Orte mit Hundeknochen und Kadavern gefunden. Das sind zum Beispiel stillgelegte Brunnen, wo die Hunde einfach hineingeschmissen werden. So werden die Hunde oft entsorgt, wenn ein Jäger sich nicht die Mühe machen will, zum Tierheim oder zur Perrera zu fahren.
Kannst du uns etwas über das sogenannte Klavierspielen erzählen?
Hier in der Gegend wird das zum Glück nicht praktiziert. Wenn ein Jäger aus irgendeinem Grund wütend auf seinen Galgo ist, möchte er eine Genugtuung. Er hängt den Galgo so an einem Baum auf, dass er noch gut mit den Hinterbeinen am Boden steht. Irgendwann verlässt den Hund die Kraft und er beginnt zu tänzeln. Das nennt man Klavierspielen. Das ist wohl die schlimmste Art, ein Lebewesen zu töten
Woher kommen die Hunde, die hier im Tierheim leben?
Wir suchen aktiv den Kontakt zu den Jägern in der Umgebung. Wenn ein Jäger Galgos aussortieren will, sprechen wir mit ihm und bieten an, Tiere aufzunehmen. Von der Tötungsstation werden wir auch regelmäßig angerufen, wenn dort Galgos abgegeben werden. Diese Tiere holen wir dann ab und nehmen sie auf. Auch Galgo-Welpen landen bei uns im Tierheim. Welpen und Junghunde sind natürlich anstrengend, was die Leute oft zu spät merken. Die Züchter sind meist selbst Jäger und nehmen die Welpen nicht zurück, weil sie für die Jagd nicht gebraucht werden. Also landen diese Tiere auch bei uns im Tierheim.
Oft werden wir auch von Passanten aufmerksam gemacht, wenn sie einen verletzten oder angebundenen Galgo finden. Dann rücken wir aus und holen die Tiere zu uns. Je nach Zustand des Hundes, kommt er direkt in die Klinik.
Nie aggressiv, doch oft ängstlich: Einige Galgos im Tierheim müssen erst Vertrauen fassen. Foto: VETO
Wie erlebst du die Hunde, die hier aufgenommen werden?
Grundsätzlich: Du wirst nie einen aggressiven Galgo finden. Ein Galgo ist ein Hund, der trotz seiner schlechten Vergangenheit – auch wenn er schrecklich geprügelt wurde – immer dienend und unterwürfig ist. Es gibt viele Galgos, die ängstlich sind. Grund ist nicht immer, dass sie geschlagen wurden, sondern dass sie reizarm geboren wurden. Oft hat schon die Mutter die große Angst auf die Welpen übertragen. Für diese Hunde braucht man ein ganz spezielles Gespür. Ich würde sagen, 85 Prozent unserer Hunde sind freundlich, zehn Prozent sind scheu und fünf Prozent sind panisch.
Was können wir von Deutschland aus tun, um euch zu unterstützen?
In Deutschland gibt es viele Menschen, die gerne etwas tun möchten. Wer seinen Urlaub in Spanien mal etwas anders verbringen möchte, kann gerne vorbeikommen und eine Woche bei uns im Refugio helfen. Wir haben hier 150 Hunde und können jede helfende Hand gut gebrauchen. Spenden sind natürlich auch wichtig. Ist ein Hund gesund und darf nach etwa zwei Monaten ausreisen, kostet er uns 200 Euro. Meistens ist es jedoch so, dass die Hunde deutlich länger bei uns bleiben und die Tiere häufiger krank oder verletzt sind. Jeden Monat kommen also weitere Kosten hinzu.
Der größte Anteil unserer finanziellen Mittel fließt in das Futter für die Hunde. Pro Tag benötigen wir zwischen zwölf und 15 Futtersäcke. Die Kampagne Hilfe für Galgos in Not ist für uns enorm wichtig und VETO ein sehr starker Partner an unserer Seite. Diese Sicherheit, ausreichend Futter für die Hunde zu haben, gibt uns einen ruhigen Schlaf.