Magazin
· Tierschutz aktiv ·
23. April 2025
· 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert am 23. April 2025
Greyhounds – Ein Wettlauf ums Überleben
Die irische Greyhound-Rennindustrie ist ein Millionengeschäft, aber fast niemand weiß von dem Elend und der Tierquälerei, die hinter den Kulissen stattfindet. Warum das Thema bislang so wenig Öffentlichkeit erfährt und wie VETO den Windhunden jetzt vor Ort in Irland hilft, liest du hier.

Fast niemand weiß vom großen Leid, das die Greyhound-Rennindustrie verursacht. Das wollen wir von VETO ändern. Foto: VETO
Tiere als Wegwerfware
Auf der Rennstrecke geht es um Sekunden – Sekunden, die tausende von Euro für die Wettenden bedeuten und unerbittlichen Stress für die Hunde. Der Wert eines Greyhounds kann auf über eine Millionen Euro beziffert werden – oft ist die „Karriere“ eines erfolgreichen Rennhundes jedoch nach sieben Monaten vorbei. Und dann wird er entsorgt. Wie eine Ware, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist.
Steuergelder für Tierleid – die irische Greyhound-Rennindustrie
„Die Menschen wären am meisten über die Greyhound-Industrie schockiert, wenn sie wüssten, wie einfach die Hunde entsorgt werden, sobald sie kein Geld mehr verdienen. Und ich glaube, die Leute würden aufhören, die Hunderennen zu unterstützen, wenn sie das wüssten,“ so Paul O’Riordan von Great Hounds in Need, der täglich Rennhunde vorm Tod bewahrt.
Irland ist eins von neun Ländern, wo immer noch Hunderennen stattfinden. Es gibt dort 14 Rennstrecken und jedes Jahr werden tausende Greyhounds in Irland gezüchtet und in andere Länder exportiert.
Warum aber ist das Thema in der Öffentlichkeit so unbekannt und wer finanziert das Ganze? Beides hängt zusammen, wie man bei genauerem Hinsehen erkennt: Die Greyhound-Rennindustrie wird vom irischen Landwirtschaftsministerium subventioniert – die Regierung hat somit einen direkten Einfluss auf den Wettsport.
Die Veranstaltung der Hunderennen und die Zucht der Greyhounds ist in Irland tatsächlich legal als Industrie definiert, die in den Händen des Irish Greyhound Board (IGB) und des Irish Coursing Club (ICC) liegen.
Greyhounds gelten als Nutztiere und somit wird die Greyhound-Rennindustrie jährlich mit zehnstelligen Millionenbeträgen (für 2025 wurden 19,8 Millionen Euro festgelegt) vom Landwirtschaftsministerium subventioniert – insgesamt fast eine viertel Milliarde Euro seit der Gründung des Horse and Greyhound Racing Fonds im Jahr 2001, durch den die Pferde- und Hunderennen bezuschusst werden.
Tiere als Ware: Sobald die Greyhounds keine Leistung mehr erbringen, werden sie von der Rennindustrie entsorgt. Foto: VETO
Gezüchtet, um getötet zu werden
Die Tierquälerei betrifft jedoch nicht nur die Rennen, durch die die sensiblen Hunde traumatisiert und verletzt werden, sondern die exzessive Zucht der Greyhounds. In einem Bericht, der bereits 2017 für das IGB erstellt worden war, wurde die Zahl der für die Rennen gezüchteten Greyhounds auf rund 16.000 beziffert – pro Jahr.
Da jeder neugeborene Windhund in Irland eine Ohrentätowierung erhält und der ICC im Zuchtbuch die verschiedenen Lebensstationen der Welpen registriert, konnte belegt werden, dass tausende von jungen Greyhounds jedes Jahr einfach verschwinden. Sobald den Züchtern klar wird, dass die jungen Hunde nicht die Leistung erbringen werden, die sie sollten, werden sie entsorgt. Fast 6000 Greyhounds wurden laut dem Bericht jährlich getötet.
Die Greyhounds, die nicht bereits als Welpen entsorgt werden, erwartet ein Leben voller Qualen und enormem Leistungsdruck. „Viele der Hunde sind nervös und scheu, wenn sie zu uns kommen. Sie brauchen eine lange Rehabilitation, weil sie sehr gestresst sind,“ so Paul. Greyhounds sind äußerst empfindsame, feinfühlige Hunde.
Schweigegeld für Tierleid
Wie kann es sein, dass wir von der Tierquälerei und den Massentötungen nichts erfahren? Paul hat auf diese Frage eine Antwort: „Die Öffentlichkeit wird so wenig darauf aufmerksam gemacht, weil die Medien und die Politiker für die Rennen sind und zudem die Wettindustrie einen sehr starken finanziellen Einfluss auf die ganze Sache hat. Es geht also um Geld. Geld treibt das Ganze an, und mit Wetten lässt sich eine Menge Geld verdienen, und damit wird das Schweigen bezahlt.“
Auch Tina Hartmann vom Verein Windhund-Netzwerk e. V. kritisiert die Rolle der Regierung und der öffentlichen Gelder im Windhundgeschäft:
„Die Glücksspielindustrie wird sich nicht selbst zerstören. Gemeinsam mit Regierungen investieren sie auf dem internationalen Wettmarkt. Online-Buchmacher und Casinos kaufen immer mehr Hunderennbahnen auf und sichern sich Medienrechte – so bleiben die Rennen ein lukratives Geschäft.“
Hunderte Millionen Euro werden jedes Jahr mit den Rennen verdient und es liegt nahe, dass das Ende der stattlichen Zuschüsse mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende der Industrie bedeuten würde.
Noch ist Irland davon weit entfernt. Selbst das sogenannte Coursing – das Hetzen von Hasen durch Windhunde – ist in Irland weiterhin erlaubt. Eine Doku des irischen Senders RTE zeigt geheime, nicht genehmigte Veranstaltungen, an denen auch prominente Personen teilnehmen.
Tierschützer Paul O’Riordan hat in den letzten Jahren tausende von Windhunden vorm Tod gerettet. Foto: VETO
Doping mit verheerenden Folgen
Auch Doping ist an der Tagesordnung. „Jeder, der in der Branche tätig ist, weiß, dass es ein Drogenproblem in der Branche gibt“, so die Aussage eines Tierarztes in der Doku. Die Hunde bekommen von Wachstumshormonen über Antibiotika und Steroiden bis zu Medikamenten zur Kontrolle der Nebenwirkungen anderer Medikamente alles, was ihre Leistung auf der Rennstrecke verbessert.
Mit verheerenden, langfristigen negativen Auswirkungen. „Wir sehen Hunde, die reinkommen und denen so viele Dopingmittel eingeflößt wurden, dass ihr Blut wie Sirup ist“ berichtet der Tiermediziner.
Vereinzelt kommen Fälle vor Gericht, bislang hat jedoch erst ein Trainer wegen Doping die Lizenz verloren. Das wirft die Frage auf, wie ernst die irische Regierung es mit der Durchsetzung des Tierarzneimittelgesetzes meint. Zwar wurde 2019 mit dem Greyhound Racing Act in Irland die Stärkung des Wohls von Windhunden beschlossen, jedoch sieht man von der Umsetzung in der Realität wenig.
Ein internationales Problem – Export nach China und Pakistan
Wogegen England der Hauptmarkt für irische Züchter ist und jedes Jahr etwa 7000 Greyhounds für viel Geld dorthin verkauft werden, werden irische Greyhounds auch regelmäßig in Länder wie China und Pakistan mit fehlenden oder mangelhaften Tierschutzgesetzen exportiert.
Manche Hunde landen dort in Renn- oder Zuchtbetrieben, andere im Fleischhandel. Die grausamen Praktiken und Bedingungen in diesen Ländern wären in der EU nicht möglich, jedoch haben die EU-Behörden aufgrund von rechtlichen Lücken wenig bis keine Kontrolle über diese Exporte.
Aufklärung, Rettung und Rehabilitation
Auch innerhalb der EU fehlt die Thematisierung und Aufklärung über die systematischen Probleme und die Grausamkeit hinter der Fassade der Greyhound-Rennindustrie. Das offizielle Ruhestandsprogramm des IGB vermittelt jährlich nur wenige Hundert Tiere.
Der Großteil der Rettungsarbeit wird von privaten Organisationen wie Great Hounds in Need übernommen. In Deutschland, Italien, Großbritannien, Schweden und Slowenien gibt es ebenfalls Initiativen, die sich um irische Windhunde kümmern, wobei der Bedarf das Angebot bei weitem übersteigt.
Vorbild und Inspiration sind Tierschützende wie Paul, der sein Leben der Aufklärung und der Rettung ausgemusterter Windhunde widmet:
„Was die Hunde betrifft, so muss die exzessive Zucht gestoppt werden. Wir möchten, dass sich die Industrie – wenn sie überhaupt existieren soll – nicht so sehr auf Wetten und Geld konzentriert, sondern auf das Wohlergehen der Tiere, denn die Hunde haben etwas viel Besseres verdient als das, was ihnen im Moment angetan wird.“
Er hat seit 2013 täglich mit den Hunden zu tun, die von der Rennindustrie ausgemustert werden: „Viele von ihnen haben schwere körperliche Leiden. Die häufigsten Verletzungen, die wir bei Windhunden sehen, die aus der Industrie kommen, sind gebrochene Zehen an der Außenseite, weil sie auf der Rennbahn herumlaufen und sich diese leicht brechen können. Gebrochene Knochen im Allgemeinen sind eine häufige Verletzung.“
Die Vermittlung der Hunde ist nicht einfach, da sie durch die Rennen oft tief traumatisiert sind, so Paul: „Die Hunde müssen sich anpassen und beruhigen, um für die Vermittlung geeignet zu sein.“
Um das System zu reformieren, gibt es laut dem Greyhound-Schützer nur eine Möglichkeit. Und die leuchtet ein:
„Nehmt die Wetten weg, nehmt das Geld weg, nehmt den Geldanreiz weg – denn es ist ein Kreislauf, der nie aufhören wird, weil jeder denkt, der nächste Hund wird der Gewinner sein. Also werfen sie den einen raus und holen sich den neuen.“
Paul O’Riordan
Am Ende gibt es jedoch nur Verlierer: Unzählige Menschen, die durch Wetten ihre Existenz aufs Spiel setzen, die Macher hinter den Kulissen, die das Leid der Tiere verursachen und am meisten die Hunde, die zu ihrem Schicksal gezwungen werden, weil sie selbst keine Stimme haben. Wir sind hier, um ihnen eine Stimme zu geben! Supporte die Greyhounds, indem du Menschen davon erzählst und Artikel wie diese weiterleitest und unterstütze Vollblut-Tierschützer wie Paul jetzt mit deiner Spende.