Magazin · Tierschutz aktiv · 14. Mai 2021 · 2 Min. Lesezeit
Große Sorgen um die ganz Kleinen: Katzenkinder im Tierschutz
In Deutschland leben geschätzte zwei Millionen Straßenkatzen. Meist unkastriert vermehren sie sich rasant und so kommen Jahr für Jahr viele Katzenbabys zur Welt. In diesem Interview berichtet der Verein Katzenhilfe Schmelz von seiner Arbeit und den Herausforderungen der sogenannten Kittenschwemme.
Carmen Biesel: Katzen-Retterin aus Überzeugung. Foto: Katzenhilfe Schmelz e. V.
Nur selten bekommt man sie zu Gesicht: Freilebende Katzen sind oft scheu und leben im Verborgenen. Sie sehen meist verwahrlost aus, denn Parasiten, Krankheiten und Mangelernährung machen den Tieren zu schaffen. Trotz ihres schlechten gesundheitlichen Zustands vermehren sie sich unkontrolliert. Bereits wenn die Kitten sechs bis acht Wochen alt sind, kann eine Katze wieder trächtig werden. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, geben die engagierten Tierschützer*innen vom kleinen Verein Katzenhilfe Schmelz alles.
Mit Hingabe widmen sie sich einer großen Aufgabe: Katzenhilfe Schmelz e. V. kümmert sich um die humane Populationskontrolle und Gesunderhaltung sogenannter Straßenkatzen. Der Verein blickt auf viele Jahrzehnte Erfahrung zurück: Vorsitzender Adi Adelmann ist bereits seit 40 Jahren im Tierschutz aktiv, die zweite Vorsitzende Carmen Biesel seit 22 Jahren.
Besonders geht den Tierschützer*innen das Schicksal der kleinen Katzen ans Herz, denn jedes Jahr aufs Neue sehen sie mit an, wie die Kitten um ihr Leben kämpfen. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer! In unserem Interview stehen die Tierschützer*innen von Katzenhilfe Schmelz e. V. uns Rede und Antwort.
Jedes Frühjahr kommen viele Katzenbabys zur Welt. Welche Erfahrungen habt ihr in eurer Vereinsarbeit mit der sogenannten Kittenschwemme gemacht?
„Die Kitten nehmen einen Großteil unserer Tierschutzarbeit ein. Babykatzen sind unterversorgt und oftmals aufgrund von Inzucht schwer krank. Ihre Versorgung und Behandlung sind meist aufwendig und stellen eine zusätzliche Belastung für unser sehr kleines Team dar. Da sie besondere Nahrung brauchen, steigen unsere Futterkosten stark an, wenn wir Kitten aufnehmen. Auch die Tierarztkosten sind dann deutlich höher.
Pflegeplätze für die Kleinen zu finden, ist nicht einfach. Für uns ist es aber sehr wichtig, entlastet zu werden, denn die Pflege der Kitten nimmt viel Zeit in Anspruch. Daher sind wir dankbar für jede einzelne Pflegestelle.
Kitten müssen sozialisiert werden, damit sie später gut in ein neues Zuhause vermittelt werden können.“
In Deutschland gibt es schätzungsweise zwei Millionen freilebende Katzen. Das Problem ist menschengemacht. Doch was ist eurer Meinung nach die Lösung?
„Ganz klar: Kastrationspflicht. Die Kastration ist ein wichtiger Schritt, um die unkontrollierte Vermehrung von freilebenden Katzen einzudämmen. So kann auch viel Leid und Elend heimatloser Tiere verhindert werden. Wir organisieren Fangaktionen, um die Katzen zu kastrieren und tierärztlich zu versorgen. Somit kommen wir im Saarland jährlich auf rund 400 Kastrationen.“
Ein Leben für den Tierschutz: Adi Adelmann und Carmel Biesel bei einer Fangaktion. Foto: Katzenhilfe Schmelz e. V.
Seit 2021 gilt im Saarland eine Katzenschutzverordnung. In definierten Hotspots gibt es nun eine Kastrationspflicht. Welche Auswirkungen hat dies auf die Arbeit eures Vereins?
„Aktuell bedeutet das neue Gesetz sehr viel Mehrarbeit für uns. Wir sprechen viel mit Bauern, die oft viele unkastrierte Tiere auf ihrem Hof haben. Sie müssen der Kastration zustimmen. Die Kosten von Kastrationen freilebender Katzen werden zwar vom Tierschutzbund übernommen, aber nur in sogenannten Hotspots, also Orten, wo besonders viele Tiere leben.
Außerhalb dieser Hotspots kastrieren wir sehr viele Katzen und tragen die Kosten dafür selbst. Das ist schon eine große Belastung.“
Herrenlose Katzen leben oft auf Fabrikgeländen oder großen Bauernhöfen. Foto: Katzenhilfe Schmelz e. V.
5 Fakten über Straßenkatzen in Deutschland
- Große Zahl: Rund 2.000.000 freilebende Katzen gibt es in Deutschland.
- Menschengemachtes Problem: Die Tiere sind Nachfahren von nicht kastrierten Hauskatzen.
- Unsichtbares Leid: Straßenkatzen leben meist nicht in der Nähe von Menschen.
- Kastrationen: Nicht nur freilebende Katzen müssen kastriert werden, sondern auch Hauskatzen. Denn sie können sich auf ihnen Streifzügen mit Straßentieren paaren.
- Kontrollieren statt zähmen: Straßenkatzen werden oft von Tierschützer*innen an Futterstellen versorgt. Manche Tiere haben große Angst vor Menschen und können nicht sozialisiert werden.
Wie unterscheidet sich die Versorgung, Pflege und Fütterung von Kitten von der von erwachsenen Katzen?
„Katzenbabys brauchen hochwertiges Futter. Außerdem leiden viele Kitten an Dünndarm-Parasiten, die behandelt werden müssen. Mehrmals am Tag und in der Nacht müssen sie gefüttert werden und auch Medikamente bekommen, damit sie überleben. Junge Katzen, die schon alt und eigenständig genug sind, um selbst zu fressen, brauchen auf jeden Fall warme Unterschlüpfe aus Styropor, damit sie sich zurückziehen können.“
Kitten erholen sich meist gut in der Obhut der Tierschützer*innen. Foto: Katzenhilfe Schmelz e. V.
Ihr betreibt seit vielen Jahrzehnten Tierschutz. Gibt es ein Schicksal von geretteten Katzenkindern, das euch besonders bewegt hat?
„Sehr berührt hat uns ein Erlebnis, das sich in einem zugemüllten Messihaushalt ereignete. Insgesamt haben wir dort 15 Katzen eingefangen. Jeden Winkel des Hauses haben wir durchforstet. Die Katzen waren auch alle zutraulich und ließen sich ohne Probleme in die Boxen setzen. Eine Katze jedoch ließ sich partout nicht fangen und zog sich immer wieder auf den morschen Dachboden zurück, den wir wegen Einsturzgefahr nicht betreten konnten.
Nach langem Hin und Her, stellten wir am Abend eine Lebendfalle auf. Am frühen Morgen sollten wir dann den Grund erfahren, weshalb die Katze sich weigerte. Mitsamt ihrem Katzenkind saß die Katzenmama in der Falle. Dieser Anblick war so ergreifend, dass es selbst uns als langjährige Tierschützer*innen so berührte und wir feuchte Augen hatten. Mutterliebe halt!“
Mit Blick in die Zukunft: Welchen Wunsch habt ihr für die Arbeit eures Vereins?
„Wir wünschen uns, immer genügend Futter zu haben und ausreichend Geld für Tierarztkosten. Mehr Ehrenamtliche, die mit anpacken, wären eine große Hilfe. Für jede Art der Unterstützung sind wie sehr dankbar. Wir sind ein sehr kleiner Verein und unsere Arbeit ist zu 100 Prozent ehrenamtlich.“
Kleiner Verein mit großer Wirkung
Die ehrenamtlichen Helfer*innen des Vereins schaffen Unglaubliches. Obwohl das Tierschutz-Team nur aus wenigen Menschen besteht, leistet die Katzenhilfe Schmelz e. V. einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Katzen in Deutschland. Hier ein paar Zahlen:
- Finanzen: 2020 hatte der Verein Ausgaben von über 44.000 Euro.
- Kastrationen: 299 Katzen wurden 2020 kastriert und medizinisch versorgt.
- Rettung: Über 500 Tiere wurden zur Versorgung zum Tierarzt gebracht.
Dank der Futterspenden von VETO können die Tierschützer*innen ihre Schützlinge gut versorgen. Die Geld-Prämie, die jede Organisation zusätzlich zu dem Futterspenden erhält, kann in Kastrationsprojekte investiert werden. Kleine Vereine, deren Reichweite nicht so groß ist, sind auf diese Hilfe angewiesen, um ihr Tierschutzanliegen bestmöglich umzusetzen.
Stellvertretend für den Verein Katzenhilfe Schmelz hat Karin Adelmann-Woll die Fragen beantwortet. Herzlichen Dank!