Magazin · Tierschutz aktiv · 22. März 2023 · 5 Min. Lesezeit
Wenn Tierschutz viral geht: TikTokerin Mimi Kayser über das Leben mit fünf Galgos
Ihre Beiträge auf TikTok sind manchmal unterhaltsam, mal ernst und immer absolut authentisch – Mimi Kayser teilt die alltäglichen Erlebnisse ihrer Hunde mit einer riesigen Fangemeinde. Dabei erwärmt sie nicht nur die Herzen der tierlieben Follower, sondern klärt auch über das schwere Schicksal der spanischen Galgos auf.
In ihrem Galgo-Rudel fühlt Mimi Kayser sich wohl: "Galgos schleichen sich mit ihrem zauberhaften Wesen ganz still und heimlich in Dein Herz und dann kommst du nicht mehr von ihnen los." Foto: privat
Liebe Mimi, für diejenigen, die dich nicht kennen, stell dich doch bitte einmal kurz vor.
Hi, ich bin Mimi Kayser, freiberufliche Werbetexterin, seit Mai 2021 betreibe ich außerdem einen TikTok-Kanal und erzähle dort täglich tierische Hunde- und Pferdegeschichten. Zusammen mit meinem Lebensgefährten, fünf Galgos aus dem Tierschutz und vier Pferden leben wir in der Nähe von Köln.
In unserem Leben spielen die Tiere natürlich eine große Rolle, für andere Dinge bleibt ja auch kaum Zeit. Wenn ich mal nicht mit Hunden und Pferden beschäftigt bin, nähe ich gern verschiedene Dinge für die Hunde und die Pferde, zum Beispiel Halsbänder, Hundeschlafanzüge oder Dinkelspelzkissen.
Mit welchen Vierbeinern teilst du dein Leben?
Wir teilen unser Leben mit den Galgos Gustav (12), Tilda (8), Emil (4), Toni (3) und Enno (10 Monate) und den Pferden Henry (18), Suave (8) und den zwei jungen Pferden Baltasar und M. Wir konnten uns noch nicht für einen Namen mit M entscheiden, deswegen nur M.
Das klingt nach einem turbulenten Alltag. Was ist so schön an dem Zusammenleben mit so vielen Tieren?
Ich finde alles schön daran und könnte mir ein Leben ohne die Galgos gar nicht mehr vorstellen. Sie sind so einfühlsam, sie strahlen so etwas Besonderes aus, ich beobachte sie gern, es ist interessant, dass wirklich jeder seinen eigenen Charakter hat. Ich liebe es, wie sie miteinander umgehen und spielen und es macht mich glücklich, wenn die Galgos glücklich sind. Bei so vielen Tieren wird es nie langweilig, jeder Tag ist anders und hält die ein oder andere Überraschung bereit.
Die Galgos geben einem so viel zurück, man kann es kaum in Worte fassen. Sie binden sich ja sehr stark an ihre Menschen und das ist einfach ein schönes Gefühl. Außerdem erfreue ich ich mich jeden Tag daran, ihnen ein schönes Leben bieten zu können – gleichzeitig macht mich das Glück meiner Galgos aber auch immer ein wenig traurig, weil es mich auch täglich daran erinnert, dass es so vielen Galgos nicht so gut geht wie unseren und ich am liebsten alle retten würde.
Die meisten Galgos haben eine bewegende Vergangenheit hinter sich. Kannst du uns die Geschichte von einem deiner Hunde erzählen?
Man kennt ja nie die ganze Wahrheit, aber besonders bei unserer Angsthündin Toni müssen die ersten zwei Jahre beim Galguero (so nennt man die spanischen Jäger) die Hölle gewesen sein. Toni ist nicht nur eine Angsthündin, sie ist schwer traumatisiert und muss schreckliche Schmerzen erlitten haben, anders lässt sich ihre unfassbar große Angst vor Menschen nicht erklären. Bis ein Hund so wird wie Toni, muss wirklich viel passieren. Am Bein hat sie einen alten Bruch. Man weiß nicht genau, wie das passiert ist, aber manche Galgueros brechen ihren Galgos die Beine, wenn sie bei der Jagd nicht die Leistung bringen, die der Jäger sich wünscht. Der Jäger sieht das dann als Schande an, die der Hund über ihn gebracht hat.
Das ist nur eine Grausamkeit, die den Galgos in Spanien widerfährt, unzählige Galgos werden jährlich entsorgt, also getötet, erhängt, in Brunnen geworfen, mit zugebundenem Maul sich selbst überlassen oder in der Tötungsstation abgegeben.
Gustav wurde als Welpe mit seiner Mutter und seinen Geschwistern aus der Tötungsstation gerettet, hat aber nichts Schlimmes erlebt. Ein echt feiner Kerl und einfach nur lieb.
Tilda kam auch vom Jäger, war aber nicht ängstlich; sie kannte nur einfach nichts, hat sich aber schnell an den anderen Hunden orientiert. Auch Tilda ist eine sehr einfache, liebe Hündin. Sie ist nach wir vor noch sehr selbstständig, macht ihr eigenen Ding.
Emil wurde als Welpe vom Galguero direkt bei der Tierschützerin abgegeben – das war sein Glück! Aber bei ihm merkt man schon, dass er in seiner Prägephase vieles verpasst hat. Er mag keine wuscheligen Hunde und fremde Menschen.
Enno wurde sogar bei der Tierschützerin geboren, seine Schwestern sind leider plötzlich verstorben und man bangte auch um Ennos Leben. Ich habe meine TikTok-Geschenk-Einnahmen für einen Teil der Tierarztkosten gespendet. Und später dann eine Pflegestelle für ihn angeboten und versagt: Enno durfte bleiben. Enno ist auch ein ganz lieber und einfacher Galgo – bis jetzt. Die Pubertät kommt ja noch.
Das Leben mit Angsthunden wie Toni ist auch für hundeerfahrene Menschen eine Herausforderung. Foto: privat
Kannst du dich noch daran erinnern, wie die ersten Tage mit Toni bei euch zu Hause waren?
Daran kann ich mich sogar noch gut erinnern, ich habe ja auch auf meinem TikTok Kanal alles dokumentiert. Am Anfang war es gar nicht so schlimm, Toni war frisch aus Spanien eingereist und ich sollte eigentlich nur einen Tag auf sie aufpassen – sie ließ sich zwar nicht anfassen, war aber nicht total panisch. Wenn die Galgos aus Spanien kommen, sind sie erst mal ziemlich fertig und teilweise auch überfordert von den neuen Eindrücken. Ich glaube Toni befand sich in einer Art Schockstarre.
Da man nicht viel über sie wusste, haben wir die Situation völlig falsch eingeschätzt. Ich dachte, dass sie sicher in ein paar Wochen auftaut. Nach circa einer Woche zeigten sich dann ihre Panikattacken, sie hat sich den Platz auf dem Sofa ausgesucht und ist dort auch nicht mehr weg gegangen, sie hat sich nicht getraut zu fressen, sie ist vor dem Futternapf weg gerannt und hat vor Angst unter sich gelassen, sie hat Monate lang nur im Liegen auf dem Sofa gefressen.
Panikattacken beim Spazieren gehen, wenn man ihr zum Beispiel. ein Leckerchen geben wollte. Sie war so in ihrer Angst gefangen, dass sie ihre Umwelt gar nicht wahrgenommen hat und nur wie ein Roboter bei Fuß neben mir gegangen ist, sie hat nicht geschnüffelt und sich auch nicht gelöst. Ihr Geschäft konnte sie nur im Garten erledigen, brauchte dann aber teilweise Stunden um sich wieder ins Haus zu trauen.
Eines Tages kam ich vom Stall nach Hause und das ganze Hundespielzeug lag im Wohnzimmer verteilt. Das hat mich etwas gewundert, weil die anderen normalerweise schlafen, wenn sie allein sind. Ich hab dann mal eine Kamera aufgestellt, um sie heimlich zu filmen. Ich konnte kaum glauben, was ich dann sah: Toni hatte angefangen zu spielen, wenn kein Mensch in der Nähe war. Sie sah auf dem Video aus, wie ein Welpe in groß. Sie hat sich das Spielen bei Emil abgeschaut und dann genau wie er Spielzeug durch das Wohnzimmer geworfen. Man konnte richtig sehen, dass sie das Spielen erst lernen musste. Das war ein schöner Moment, sie für kurze Zeit so glücklich zu sehen.
Und heute? Wie macht sich Tonis schlimme Vergangenheit im Alltag bemerkbar?
Toni packt ihr Köfferchen ja wirklich sehr sehr langsam aus, Rückschritte gibt es immer wieder, es gibt auch viele positive Veränderungen: Toni frisst im Stehen, sie spielt nun auch schon mal mit den anderen, wenn Menschen dabei sind, sie lässt sich auf dem Sofa streicheln und man könnte meinen, dass sie es sogar ein wenig genießt. Trotzdem ist da immer noch die Angst vorm Menschen, sie vertraut uns nicht wirklich und bei jedem ungewohnten Geräusch oder einer schnellen Bewegung zuckt sie zusammen.
Sie ist einfach in ihrer Angst gefangen, aber kommt jetzt mehr und mehr aus ihrem Schneckenhaus heraus, sie holt sich Leckerchen vom Tisch ab, sie schnüffelt auch draußen beim Spaziergang und ihr Jagdtrieb ist erwacht, sie rennt mit Emil in der Reithalle. Das alles wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen. Trotzdem wird sie immer ein besonderer Hund bleiben.
Es ist sicherlich nicht einfach, Hunden mit unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Worauf musst du beim Umgang mit einem Angsthund wie Toni achten?
Eigentlich ist das gar nicht so schwer: Gustav, Tilda, Emil und Enno sind tolle, stabile Hunde, sie geben Toni Sicherheit – vor allen Dingen Emil hat sich ja gleich rührend um Toni gekümmert und sich einfach ganz dicht an sie rangekuschelt. Die zwei haben auch eine ganz besondere Verbindung. Ein Angsthund braucht auf jeden Fall Hundegesellschaft, da nehmen mir die Galgos schon mal eine Menge Arbeit ab – das könnte ich gar nicht leisten.
Ansonsten muss man bei einem Angsthund natürlich noch mehr darauf achten, dass alles sicher ist, dass der Garten ausbruchsicher ist, dass niemand das Törchen aufstehen lässt, Toni muss immer ein Sicherheitsgeschirr tragen und bestenfalls auch ihren GPS-Tracker, denn man weiß nie, wann eine Panikattacke kommt.
„Es ist schwer zu ertragen, wenn ein Hund so viel Angst vor dir hat, obwohl du nur das Beste für ihn willst. Das muss man erst mal lernen.“
Routinen sind für Toni sehr wichtig, die müssen eingehalten werden. Sie lässt sich zum Beispiel nur vor der Haustüre anleinen, ich könnte jetzt nicht einfach auf sie zugehen und sie streicheln. Ich muss sie meistens abholen vor der Haustüre, weil sie sich allein nicht ins Haus traut. Das kostet schon mal einige Nerven, wenn sie auch nach dem fünften Versuch nicht mit ins Haus kommt. An manchen Tagen wiederum kommt sie einfach so mit rein als hätte sie es schon immer so gemacht.
Es ist schwer zu ertragen, wenn ein Hund so viel Angst vor dir hat, obwohl du nur das Beste für ihn willst. Das muss man erst mal lernen. Man darf nichts von einem Angsthund erwarten, man darf ihn aber auch nicht zu sehr bemitleiden und man muss ruhig bleiben, obwohl man innerlich schreien und weinen könnte.
Warum war es für dich wichtig, der ängstlichen Toni eine Chance zu geben?
Ich muss ganz ehrlich sein: Wenn ich vorher gewusst hätte, wie traumatisiert Toni ist, hätte ich mir das nicht zugetraut. Ich habe zwar jahrelange Galgo-Erfahrung, jedoch keine Erfahrung mit Angsthunden.
Es war auch nicht immer leicht für die anderen Hunde, sie konnten ja nicht verstehen, warum Toni panisch auf sie drauf springt und ihnen dabei auch weh tut. So einem Hund wie Toni eine Chance zu geben, ist schon eine Herausforderung. Wenn man dann aber sieht, dass auch so ein schwer traumatisierter Hund das erste Mal im Leben Freude empfinden kann, wenn der Hund sein Köpfchen in deine Hand legt, dann weißt du, dass sich Arbeit und Tränen lohnen und dass jeder Hund die Chance auf ein glückliches Leben verdient hat.
Wenn du einen Wunsch für Toni und eure gemeinsame Zukunft frei hättest, wie würde er lauten?
Ich wünsche mir so sehr, dass Toni uns irgendwann vertrauen kann, dass sie sich sicher und geborgen fühlt und dass sie lernt, dass nicht alle Menschen schlecht sind. Ich wünsche mir, dass Toni es zulassen kann, geliebt zu werden und dass sie ein angstfreies Leben führen kann.
Warum ist es dir so wichtig, über Galgos aufzuklären und von deinem Leben mit ihnen zu berichten?
Ich möchte zeigen, was die Galgos für besondere und wundervolle Hunde sind. Es heißt ja nicht umsonst „einmal Galgo, immer Galgo“. Viele Menschen wissen nichts von dem Leid der Galgos in Spanien und haben ein völlig falschen Bild von diesen „dünnen, arrogant wirkenden Windhunden“. Mit meinen Videos kann ich zeigen, was das für tolle, soziale Hunde sind. Ich bekomme immer wieder Nachrichten von Menschen, die sich durch uns in Galgos verliebt oder sogar einen Galgo adoptiert haben und das ist für mich das Allerschönste. Die Galgos verdienen es gehört, gesehen und geliebt zu werden! Ich möchte den vielen Galgos, denen es so schlecht geht, meine Stimme geben.
Auf TikTok folgen dir fast 190 K Menschen. Warum sind deine Inhalte so erfolgreich?
Ich weiß es nicht, vielleicht berühre ich mit meinen Geschichten die Herzen der Menschen. Ich zeige ja nicht nur lustige Tiervideos mit Musik, sondern erzähle echte Geschichten. Wir sind authentisch, wir verstellen uns nicht und ich plane nichts. Im Grunde schreiben die Galgos die Geschichten, mal lustig, mal emotional und natürlich auch mal traurig.
Du warst 2023 zum ersten Mal auf dem Galgo-Marsch in Köln, um für die Rechte und den Schutz der aussortierten Jagdhunde zu protestieren. Wenn du den spanischen Jägern oder der spanischen Regierung etwas mitteilen könntest, was wäre das?
Ich weiß, dass man mit Wut und Vorwürfen nichts bei den spanischen Jägern erreichen kann und dass man ja schon froh sein kann, wenn sie ihre Hunde tatsächlich bei den Tierschützern abgeben statt grausam zu entsorgen. Deswegen dürfte ich ihnen nicht sagen, was ich eigentlich empfinde, sondern würde sie einfach nur bitten, ihre Galgos anständig zu behandeln, gut zu füttern und ihnen nicht weh zu tun.
Die Regierung müsste ich wirklich mal nach dem Verstand fragen, wie man so eine grausame Entscheidung treffen kann, Jagdhunde vom Tierschutzgesetzt auszuschließen. Das bedeutet, dass die vielen schwarzen Schafe unter den Galgueros weiterhin Galgos misshandeln und töten können ohne rechtliche Folgen. Und das im Jahr 2023! Das ist für mich einfach unfassbar. Aber wie so oft im Leben spielt hier auch Geld eine große Rolle. Weil die Jagd in Spanien nicht nur Tradition, sondern auch ein riesengroßes Geschäft ist.
Lass es uns mal auf den Punkt bringen: Was macht Galgos so besonders liebenswert für dich?
Galgos haben einfach ein Herz aus Gold. So sensibel und einfühlsam, lieb und sozial mit anderen Hunden. Sie binden sich so stark an ihre Menschen und lieben es zu kuscheln. Sie sind im Haus sehr ruhig, draußen allerdings passionierte Jäger. Es ist unglaublich faszinierend, ihnen beim Rennen zuzuschauen. Sie können aber auch manchmal etwas introvertiert Fremden gegenüber sein, das mag ich aber auch besonders an ihnen. Sie sind einfallsreiche Clowns, wenn es um die Beschaffung von Essen geht. Galgos schleichen sich mit ihrem zauberhaften Wesen ganz still und heimlich in Dein Herz und dann kommst du nicht mehr von ihnen los.
Wenn man erst mal einen Galgo adoptiert hat, dauert es nicht lange bis weitere einziehen, deswegen haben die meisten Galgo-Menschen auch so viele Galgos und natürlich auch, weil der Galgo am liebsten mit anderen Galgos zusammenlebt.