Magazin · Tierschutz aktiv · 27. Juli 2022 · 5 Min. Lesezeit
Schutz durch Kastration: Trap-Neuter-Return
Kastrationen sind ein wichtiger Grundstein für wirksamen Tierschutz. Immer mehr Vereine in Europa setzen beim Populationsmanagement von Straßentieren auf die Methode Trap-Neuter-Return. Wie diese Projekte funktionieren und warum sie so erfolgreich sind, erfährst du in diesem Beitrag.
Wirksam und tierfreundlich: Möglichst stressfrei werden Straßentiere in Europa kastriert, damit sie sich nicht unkontrolliert vermehren. Foto: Future for Paws e. V.
In einem kleinen Dorf in der Nähe von Bulgariens Hauptstadt Sofia fällt den Tierschützer:innen von ProStreuner e. V. immer wieder eine freilebende Hündin auf. Monatelang versuchen sich die Menschen dem scheuen Tier zu nähern. Immer erfolglos. Mehrfach bringt die Straßenhündin Welpen zur Welt, die von den Helfer:innen in Obhut genommen werden. Für Welpen ist das Leben als Straßentier besonders hart, denn die Kleinen sind oft in einem schlechten gesundheitlichen Zustand und überleben die ersten Wochen manchmal nicht.
Mit viel Geduld und nach etlichen Versuchen gelingt es den Tierschützer:innen in Bulgarien dann endlich: Sie locken das Muttertier in eine Lebendfalle und bringen sie gewaltlos in eine Praxis, um sie kastrieren zu lassen. Nachdem die Hündin sich erholt und mit nahrhaftem Futter gestärkt hat, darf sie wieder in ihr Revier zurückkehren. Sie wird nun keine Nachkommen mehr in die Welt setzen.
Das Beispiel des Vereins ProStreuner ist nur eins von vielen. Inzwischen setzen Tierschutzorganisationen, die sich um das Wohl und den Schutz der Straßentiere kümmern, häufig auf die Methode Trap-Neuter-Return – fangen, kastrieren, freilassen.
Für Tierheime bedeutet die Flut an Welpen eine enorme Herausforderung. Ihre Bedürfnisse erfordern mehr Zeit, Pflege und Einsatz. Foto: Friends for Life Germany e. V.
Was ist Trap-Neuter-Return?
Zu einem verantwortungsvollen Populationsmanagement von Straßentieren gehört für viele Tierschutzvereine auch die Methode Trap-Neuter-Return: Straßenhunde und -katzen werden in ihrem Revier schonend eingefangen und in einer Praxis für Tiermedizin oder in anderen entsprechend ausgestatteten Behandlungsräumen kastriert.
Während sie narkotisiert sind, werden sie auch markiert, um sie später von den unkastrierten Vierbeinern unterscheiden zu können. Nach einer angemessenen Erholungsphase und einem allgemeinen Gesundheitscheck lassen die Tierschützer:innen die Tiere – nach Möglichkeit- wieder in der Gegend frei, in der sie zuvor lebten.
Fangen, kastrieren, freilassen: So wirkt die Methode
Jedes Revier bietet für Straßentiere – ganz gleich, ob Hund oder Katze – eine bestimmte Anzahl an Ressourcen, die den Tieren als Lebensgrundlage dienen. Dies sind zum Beispiel Nahrungsangebote, Trinkwasser, aber auch genügend Platz und Rückzugs- und Schutzorte. Das Angebot an Ressourcen genügt nur für eine bestimmte Anzahl von Tieren derselben Art, womit die Menge der Tiere ganz automatisch limitiert wird (carrying capacity).
Langfristig stellt sich bei den angesiedelten Tieren ein Gleichgewicht zwischen Geburten- und Todesrate ein. Das bedeutet: Tiere, die keine Nahrung finden können, überleben in diesem Revier nicht. Denn die Ressourcen werden bereits von angesiedelten Vierbeinern genutzt. Die Population bleibt nach einer gewissen Zeit unverändert.
Wenn nun die Anzahl der toten Tiere ansteigt – zum Beispiel, weil Hundefänger Straßenhunde einfangen und in Tötungsstationen bringen – werden im Revier Plätze und Ressourcen frei für andere Vierbeiner. Mehr Jungtiere können überleben, Artgenossen aus benachbarten Gebieten siedeln sich an oder ausgesetzte Haustiere besetzen die freigewordenen Plätze. Es ist festzustellen: Nach kurzer Zeit ist die Anzahl der Straßentiere genauso hoch wie vor dem Töten der Tiere. Anschließend steigt die Population noch weiter an, weil die Tiere sich untereinander paaren.
Das Einfangen und Umbringen von Straßentieren wird in einigen europäischen Ländern immer noch praktiziert. Doch längst ist nachgewiesen: Diese Methode ist nicht nur grausam, sondern auch absolut sinnlos.
Kastrierte und wieder im alten Lebensraum freigelassene Hunde und Katzen hingegen belegen ihren ursprünglichen Platz im Revier. Kein neues Tier rückt an ihre Stelle und die Tiere können trotzdem keine Nachkommen mehr in die Welt setzen. Der Tierbestand bleibt konstant und kontrollierbar. Es werden keine Welpen und Kitten geboren, die ein leidvolles und oft kurzes Leben als Straßentier fristen.
Nach ihrer Kastration werden diese Katzen wieder in ihre gewohnte Umgebung entlassen. Foto: Future for Paws e. V.
Ein weiterer Faktor, der für die Trap-Neuter-Return-Programme spricht: Straßentiere leben oft bereits seit ihrer Geburt auf der Straße. Sie sind teilweise sehr scheu und fürchten den Kontakt zu Menschen sogar. Diese Tiere in einem Tierheim unterzubringen, um sie anschließend zu vermitteln, ist auch im Sinne des Tierwohls nicht immer ratsam. Die Vierbeiner kennen nur ihr Leben auf der Straße und gerade für Katzen, die vielleicht schon seit Generationen frei auf der Straße leben, ist die Vermittlung in eine neue Umgebung mit menschlichem Kontakt sehr herausfordernd.
Durch das optische Markieren kastrierter Tiere (beispielsweise durch Tätowierungen oder Marken) wissen die vor Ort lebenden Menschen direkt, dass dieser Vierbeiner keine ungewollten Jungtiere zeugen wird. Somit steigt gleichzeitig auch das Ansehen und die Akzeptanz der Straßentiere in der Bevölkerung.
Das Töten von Straßentieren ist brutal, grausam und wirkungslos. Durch Trap-Neuter-Return bleibt die Anzahl der freilebenden Tiere konstant und kontrollierbar. Grafik: VETO
Rumänien: erste Erfolge zu verzeichnen
Obwohl die Trap-Neuter-Return-Methode Wirkung zeigt, sträuben sich immer noch viele Verantwortliche der Städte und Gemeinden finanzielle Mittel für dieses Vorgehen zur Verfügung zu stellen, sodass Tierschutzvereine innerhalb Europas die Kastrationen mit Spendengeldern realisieren.
In Pielesti in Rumänien versorgen Tierschützer:innen von Friends for Life Germany e. V. Hunde und Katzen, die auf der Straße Leben. Sie füttern sie und lassen sie medizinisch behandeln, falls sie krank oder verletzt sind. Ein wichtiger Eckpfeiler der Vereinsarbeit ist aber das Kastrieren der Straßentiere.
Zweimal pro Jahr führt der Verein sogenannte Kastrations-Marathons durch, bei denen jeweils über einhundert Hunde und Katzen kastriert werden. Tierhalter:innen können nach einer Anmeldung ihre Haustiere an den Aktionstagen kostenlos kastrieren lassen, aber auch sehr viele Straßenhunde und -katzen liegen an diesen Tagen auf dem OP-Tisch. Zuvor wurden sie eingefangen oder von Anwohner:innen mit etwas Futter angelockt. Nach der Kastration folgt eine angemessene Erholungszeit. Meist lassen es die Umstände zu, dass die Tiere wieder an dem Ort freigelassen werden, an dem sie auch eingefangen wurden.
Mit den Kastrationskampagnen leistet der Verein Friends for Life Germany wichtige Tierschutzarbeit in Rumänien, wo die Population der Straßentiere besonders hoch ist. Foto: Friends for Life Germany e. V.
Ist ein Tier aber zu schwach oder gar krank, nehmen die Tierschützer:innen es in ihrem Tierheim auf. Auch wenn ein Revier unsicher ist – wegen viel befahrener Straßen oder anderer Gefahren – darf der Hund oder die Katze ebenfalls im Tierheim bleiben und somit eine Chance auf eine Vermittlung erhalten.
Doch auch abseits der Kastrations-Marathons sieht der Verein sich in der Verantwortung, regelmäßig Straßentiere zu kastrieren und sie anschließend wieder freizulassen. Wird ein neues, unkastriertes Tier in der Umgebung entdeckt, setzt das Tierheimteam zusammen mit einem Tierarzt seit neuestem auf die sogenannte Distanzimmobilisation. Dabei werden Straßenhunde mittels Blasrohr sediert, damit sie rasch und möglichst stressfrei kastriert und wieder ins Revier entlassen werden können.
Das Kastrieren von Haustieren, die sich ebenfalls mit Straßentieren paaren, sowie die Trap-Neuter-Return-Methode zeigen in Pielesti bereits Wirkung: Die Anzahl der freilebenden Hunde und Katzen sinkt und das Verständnis innerhalb der Bevölkerung steigt.
„Dort, wo Kastrationsprojekte laufen, sind deutlich weniger Straßenhunde vorzufinden. Daher ist die Situation dort verbessert, aber es ist noch ein weiter Weg.“
So unterstützt du Kastrationsaktionen
Damit Vereine wie Friends for Life Germany regelmäßig Kastrationsaktionen durchführen und über den Erfolg von Trap-Neuter-Return aufklären können, brauchen sie Unterstützung. Zu jeder Futterspende, die über eine Wunschliste von VETO getätigt wird, erhalten die Tierschutzorganisationen ganz automatisch eine finanzielle Hilfe. Diese sogenannte Geld-Prämie kann dann in Trap-Neuter-Return-Programme fließen.
Mit jeder Spende wird der Tierschutz in Europa ein Stück vorangetrieben und das Leben der Straßenhunde und -katzen verbessert.