Magazin · Tierschutz aktiv · 31. Juli 2023 · 5 Min. Lesezeit
Rettung, Versorgung und Neubeginn: sechs Monate nach dem Erdbeben in der Türkei
Nachdem eine Serie von Erdbeben am 6. Februar 2023 in mehreren Provinzen der Türkei und Nordsyrien eine großräumige Zerstörung hinterlässt, starten unmittelbar Hilfseinsätze deutscher Tierschutzvereine, um überlebende Hunde, Katzen und andere Tiere zu retten. Erfahre, wie VETO dabei unterstützt und wie die Situation im Erdbebengebiet heute ist.
Sie gehört zu den Tierschützer:innen, die seit Beginn der Katastrophe unermüdlich helfen: Babette Terveer. Foto: Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue e. V.
Das Erdbeben
Eingestürzte Wohnhäuser, Berge von Trümmern und Verzweiflung und Schmerz in den Gesichtern der Überlebenden – diese Bilder gehen Anfang Februar um die Welt, als mehrere Erdbeben ein riesiges Gebiet in der Türkei und Syrien vernichten. Auch Babette Terveer vom Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue stockt der Atem beim Anblick dieser Szenen.
Ihr Düsseldorfer Verein ist spezialisiert auf die Evakuierung von Tieren aus Krisengebieten und arbeitet eng mit der Berufstierrettung zusammen. Für Babette ist sofort klar, dass sie helfen muss. Bereits wenige Tage nach dem Beben ist sie gemeinsam mit einem Rettungsteam vor Ort in Antakya.
Auch anderen Tierschützer:innen aus Deutschland geht es wie Babette. Sie wollen verschütteten, verletzten und heimatlos gewordenen Haustieren sowie betroffenen Straßen- und Tierheimtieren in dieser Notlage zu Seite stehen. VETO entwickelt gemeinsam mit den Tierschutzvereinen verschiedene Möglichkeiten der Soforthilfe.
Bergung, Rettung und Erstversorgung
Als Babette Terveer mit ihrem Team am 18. Februar in der Region Hatay ankommt, sind die Einsatzkräfte der Berufstierrettung aus Deutschland bereits einige Tage vor Ort. Die Helfer:innen riskieren ihr eigenes Leben, um zwischen den Trümmern verschüttete Tiere zu finden und zu bergen. Inmitten der Zerstörung liegen Leichen – von Menschen und Tieren. Freiwillige versuchen zu helfen und immer wieder stürzen noch stehende Teile von Gebäuden ein. Die Gefahr, in die sich Babette und die anderen Tierschützer:innen begeben, ist groß.
Dank der großen Hilfsbereitschaft der VETO-Community kann VETO die Rettung sowie die medizinische Erstversorgung und die Fütterung der Tiere unterstützen. Sechs Lkw mit nahrhaftem Tierfutter kommen in verschiedenen Auffanglagern und Tierheimen in der Türkei an – fünf von ihnen bereits nach sehr kurzer Zeit, ein weiterer einige Wochen später, um die Futterlager wieder aufzufüllen. Mit finanzieller Unterstützung in Höhe von 20.694 Euro können Medikamente, Transportboxen oder auch Equipment für Rettungseinsätze angeschafft werden.
Laut Tierschutzvereinen werden so in den ersten Wochen nach der Katastrophe weit über 500 Tiere geborgen. Insgesamt erhalten fünf Tierschutzvereine Unterstützung von VETO: Hundeglück Filderstadt e. V., Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue e.V., Hamburger Internationaler Tierschutz in Not e.V., Waldengel Orman Melegi e.V. sowie TIERisch e.V.
Direkt nach dem Erdbeben handeln die Rettungsteams schnell. VETO unterstützt die Tierschutzvereine sofort mit Futterlieferungen. Foto: Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue e. V.
Diese geretteten Tiere werden dann so schnell wie möglich evakuiert und in Sicherheit gebracht. Ein großes Tierheim in Ankara, das vom deutschen Verein TIERisch e. V. unterstützt wird, nimmt zum Beispiel etliche Hunde und Katzen aus dem Erdbebengebiet auf und versorgt sie. Der Verein Hundeglück Filderstadt arbeitet mit einem Tierheim in Gaziantep zusammen, das 750 Tiere in seiner Obhut hat. Auch hier werden zusätzlich Hunde und Katzen versorgt, die Opfer der Katastrophe wurden. Der Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue verteilt Futter- und Geldspenden an verschiedene Partnerorganisationen in der Türkei, zum Beispiel an Multu Patiler und Haytap in Adana.
Zusätzlich erhalten aber auch Privatpersonen aus der Umgebung Futterspenden, um ihre eigenen Vierbeiner oder Straßentiere in der Nähe fürs Erste zu versorgen. Futter ist im Krisengebiet Mangelware. Die Lieferungen von VETO nehmen den Tierschützer:innen vor Ort eine große Sorge und sichern das Überleben etlicher Hunde und Katzen.
„Es sind viele Menschen gekommen, die Straßentiere und ihre eigenen Tiere versorgen. Wir sind mehrere Stationen auch angefahren, auch Hatay. Dort wurden auch Katzen evakuiert aus eingestürzten Häusern. Wir haben insgesamt drei Tierheime besucht: ein Katzentierheim und zwei Tierheime mit Hunden. Es besteht sehr großer Futterbedarf.“
Tierschutzvereine am Limit
Während ihres Aufenthalts sieht Babette Terveer viel Leid: schwer verletzte Tiere, die um ihr Leben kämpfen, Hunde und Katzen, die ihr Zuhause verloren haben und Menschen, die um ihre Liebsten weinen. Gleichzeitig erlebt sie aber auch Glücksmomente: Sie sieht Helfer:innen, die Haustiere lebendig aus den Trümmern bergen, verletzte Tiere, die dank schneller Hilfe überleben und Menschen, die ihre geliebten Hunde oder Katzen wiederfinden.
Diese Eindrücke ihrer Türkei-Reise bringen Babette und ihr Team mit nach Deutschland und teilen sie mit VETO. Der Bedarf an Futter in den Tierheimen, aber auch für die Versorgung von Straßentieren ist riesig. Denn etliche Hunde und Katzen streunen hilflos und schutzlos zwischen den Trümmern umher und lassen sich nur schwer einfangen. VETO und der Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue beschließen, langfristige Hilfe in der Türkei zu leisten, um den Erdbebenopfern eine Chance auf ein neues Leben in Sicherheit zu ermöglichen.
Regelmäßige Einsätze dank Spenden
Etwa alle drei Wochen fliegt Babette persönlich in die Türkei, um sich ein Bild von der aktuellen Situation zu machen. Mit dem türkischen Partnerverein Haytap hat sich in den ersten Monaten nach dem Beben eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt.
Haytap ist immer vor Ort und rettet auch lange Zeit nach dem Erdbeben immer noch heimatlos gewordene Tiere aus dem zerstörten Gebiet. Der türkische Verein steht in engem Austausch mit dem Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue und informiert Babette während ihrer Besuche, aber auch zwischenzeitlich, über die Erfolge der Rettungsaktionen und natürlich auch über die aktuellen Probleme. Futter für die überlebenden Vierbeiner wird selbstverständlich immer benötigt. Doch auch ein weiteres Problem wird schnell akut: der Mangel an Platz in den umliegenden Tierheimen.
„Das, was VETO mit Futterspenden schafft, ist ein Segen. Wenn ihr mir die Sorge mit der Futterbeschaffung nehmt, dann kann sich Notpfote um den Bau des Tierheims kümmern.“
Langfristige Hilfe für Erdbebenopfer
Etliche Haustierhalter:innen haben bei der Katastrophe ihr Leben verloren oder können sich nicht mehr selbst um ihren Hund oder ihre Katze kümmern. Tierheime und Tierkliniken im Erdbebengebiet wurden ebenso zerstört wie Häuser und Wohnungen. Die Evakuierung der Haus- und Straßentiere in die umliegenden Städte außerhalb der Gefahrenzone war eine sinnvolle Sofortmaßnahme. Doch Tierheime, provisorische Auffanglager und Pflegestellen sind rasch ausgelastet.
Der Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue e. V. und Haytap erarbeiten gemeinsam mit der Hilfe von VETO eine Lösung, wie die Erdbebenopfer lange Zeit sicher versorgt werden können: Ein neues Tierheim soll gebaut werden, um die Tierschutzarbeit in der Türkei sicherzustellen. Dafür sind die Vereine auf Spenden angewiesen.
In diesem Auffanglager von Haytap werden Tiere, die Opfer des Erdbebens sind, aufgepäppelt und für die erste Zeit sicher untergebracht. Foto: Tierschutzverein Notpfote Animal Rescue e. V.
Sechs Monate nach der Katastrophe
Noch bevor das Tierheim fertiggestellt ist, dürfen die ersten Vierbeiner einziehen. Heute bietet dieser Ort rund 60 Tieren Unterschlupf und Sicherheit. Babette Terveer erzählt, dass bald 150 Hunde und Katzen hier untergebracht werden sollen. Auch eine Krankenstation soll das neue Tierheim ergänzen, denn aktuell werden die verletzten oder kranken Tiere in provisorischen Zelten behandelt. Bei der sommerlichen Hitze – momentan ist es in diesem Teil der Türkei um die 43 Grad Celsius warm – wird es in den Zelten unerträglich heiß und die Vierbeiner drohen zu dehydrieren.
Weitere Probleme bereiten den Tierschützer:innen vor Ort Sorgen: Im Erdbebengebiet kommt es immer wieder zu Waldbränden, die die Tiere in der Region bedrohen. Das Team von Haytap rettet Tiere aus der Gefahrenzone und bringt sie in Sicherheit. Doch auch in der Auffangstation und im neuen, noch nicht fertigen Tierheim gibt es neue Herausforderungen: Aufgrund der hohen Anzahl an Tieren ist das Futter erneut knapp geworden.
Durch Futterspenden aus der VETO-Community wurden die Tierschutzvereine immens entlastet und konnten mehr Arbeitskraft und finanzielle Mittel in den Neubau investieren. Auch jetzt, ein halbes Jahr nach der verheerenden Katastrophe, darf die Hilfsbereitschaft nicht abreißen. Alle geretteten Tiere müssen Tag für Tag mit Futter versorgt werden. Volle Futterlager können den Tieren das Überleben sichern. Gleichzeitig werden so mehr finanzielle Mittel frei für den Weiterausbau des Tierheims und medizinische Behandlungen.
Auch wenn längst noch nicht alle Trümmer beseitigt sind und das Leben vieler Menschen und Tiere sich urplötzlich für immer verändert hat, sind wir von VETO stolz, mit so mutigen und herausragenden Tierschützer:innen wie Babette Terveer und Anderen zusammenzuarbeiten, die auch Monate nach der Katastrophe nicht wegsehen, sondern all ihre Kraft in die langfristige und wirkungsvolle Tierschutzarbeit in der Türkei stecken.