Magazin · Tierschutz aktiv · 12. Juni 2024 · 5 Min. Lesezeit
Straßenhunde in der Türkei in Gefahr: Regierung plant Gesetz zur Tötung
Die türkische Regierung plant offenbar eine Gesetzesänderung, die vorsieht, dass Straßenhunde eingeschläfert werden, wenn sie nach 30 Tagen nicht vermittelt werden. Wir von VETO kritisieren dieses Vorhaben scharf und zeigen, warum die Pläne nicht nur grausam, sondern auch wirkungslos sind.
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Straßenhunde gehören vielerorts in der Türkei zum Stadtbild. Mit der geplanten Gesetzesänderung droht die massenhafte Tötung der Tiere. Foto: VETO
Droht unzähligen Straßenhunden in der Türkei bald der Tod? Offenbar plant die türkische Regierung eine Gesetzesänderung, die verheerende Folgen für die heimatlosen Hunde im Land haben würde. Die derzeitige Gesetzgebung, die das Fangen, Kastrieren und Freilassen der Straßenhunde vorsieht, soll rückgängig gemacht werden.
Medienberichten nach sieht das neue Gesetz Folgendes vor: Die Hunde in den staatlichen oder kommunalen Tierheimen sollen für einen Monat online zur Adoption angeboten werden. Wenn die Tiere in diesen 30 Tagen nicht vermittelt werden, sollen sie eingeschläfert werden.
Die durch die Tötung freigewordenen Plätze sollen dann mit eingefangenen Straßenhunden wieder aufgefüllt werden. Auch die Straßenhunde sollen dann wiederum einen Monat lang zur Adoption angeboten werden, um die Übriggebliebenen anschließend ebenfalls zu töten. Dieses Vorgehen soll so weitergehen, bis die vermeintliche Problematik mit den Straßenhunden aus Sicht der Regierung gelöst ist.
Fatale Folgen für die Straßenhunde in der Türkei
Landesweit wird die Anzahl an Straßenhunden auf vier Millionen geschätzt. Die Chancen, adoptiert zu werden und damit dem Tod zu entkommen, würden für die Straßenhunde äußerst schlecht stehen. Das wissen die Tierschutzvereine, die VETO angeschlossen und in der Türkei aktiv sind:
„Es gibt in unserer Gesellschaft kein Verständnis für die Adoption von Tieren aus Tierheimen. Diejenigen, die dies tun, sind sehr außergewöhnlich und wenige.“
Die Konsequenz, falls es zu dem geplanten Gesetzentwurf kommt: Die massenhafte Tötung der Tiere.
„VETO kritisiert dieses Vorhaben scharf. Die Tötung der Straßenhunde kann keine Option sein – zumal andernorts bereits gezeigt wurde, dass solche Maßnahmen keinen Erfolg zeigen. Unzählige Tiere würden einen grausamen und sinnlosen Tod sterben.“
Warum die Tötung von Straßentieren langfristig nicht zu einer geringeren Population führt
Jedes Revier bietet Straßentieren eine bestimmte Anzahl an Ressourcen, die ihnen als Lebensgrundlage dient. Trinkwasser, Nahrungsangebote, jedoch auch genügend Platz und Rückzugsorte sind hart umkämpft. Gerade die Sterblichkeitsrate junger und geschwächter Tieren ist deshalb hoch, sodass die Population automatisch begrenzt wird.
Wenn die geplante Gesetzgebung beschlossen wird, werden die Plätze und Ressourcen jener Tiere frei, die gefangen und getötet werden. Mehr Jungtiere können dementsprechend überleben, Artgenossen aus benachbarten Gebieten siedeln sich an oder ausgesetzte Haustiere besetzen diefreigewordenen Plätze. Nach kurzer Zeit wäre die Anzahl der Straßenhunde in der Türkei genauso hoch wie vor dem Töten der Tiere. Anschließend steigt die Population noch weiter an, weil die Tiere sich untereinander paaren.
Noch immer sind zu wenig Straßenhunde kastriert
Um die Population der Straßenhunde langfristig zu beschränken und das große Leid auf den Straßen zu verhindern, bedarf es vielerorts eines Umdenkens in der Bevölkerung. Die Tiere müssen als fühlende Lebewesen und als Teil der Gesellschaft anerkannt werden, für die der Mensch verantwortlich ist.
„Unserer Meinung nach wird dieses Gesetz keinesfalls dazu beitragen, die Population von Straßenhunden in der Türkei zu reduzieren, da immer neue unkastrierte Hunde ausgesetzt werden und neue Welpen geboren werden.“
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Noch immer kommt es auf den Straßen in der Türkei häufig zu Nachwuchs, da viele Tiere unkastriert sind. Foto: VETO
Die Tierschutzvereine, die in der Türkei aktiv sind, sehen auch Nachholbedarf bei der Gesetzgebung, um künftiges Leid zu verhindern.
„Es wäre wichtig, dass die Kennzeichnungspflicht strenger kontrolliert wird und hohe Strafen für das Aussetzen von Hunden verhängt werden, was derzeit leider nicht der Fall ist.“
Darüber hinaus bedarf es flächendeckender Kastrationen, um zu verhindern, dass immer neue Tiere in das leidvolle Leben auf der Straße hineingeboren werden.
Das bisherige Tierschutzgesetz in der Türkei sieht vor, dass die Straßenhunde von Seiten der Kommunen gefangen, kastriert und wieder freigelassen werden. Dass sich die Population der Straßenhunde in der Türkei durch das Gesetz nicht beschränken ließ, liegt wohl daran, dass nicht ausreichend Tiere kastriert wurden.
„Die Kommunen landesweit sind ihren Aufgaben bezüglich Kastrationsaktionen seit Jahren nie wirklich nachgekommen. Wenn sich unsere Tierschützer vor Ort mit den Tierheimen in Verbindung gesetzt haben, beispielsweise bezüglich des Einfangens und Kastrierens von unzutraulichen Hunden, wurde ihnen jegliche Hilfe verwehrt. Sie mussten sich selbst darum kümmern, diese Tiere einzufangen und zu kastrieren.”
Medienberichten zufolge, die sich auf Aussagen der Regierung berufen, sind mittlerweile knapp eine Million der Straßenhunde gechippt und registriert. Um die Population stabil zu halten, sei es nötig, 70 Prozent der Tiere zu sterilisieren. Zuletzt seien pro Jahr aber nur etwa 260.000 Hunde sterilisiert worden.
„Die Hunde sollten nach Gesetz für Kastration eingefangen, ohrmarkiert und freigelassen werden, aber auch die Hunde mit Ohrmarkierung waren trächtig. Das bedeutet, um Kosten zu sparen, werden sie nur markiert, sie werden weder geimpft noch kastriert.“
So kannst du den Straßentieren in der Türkei helfen
Sowohl von politischer Seite als auch von der Bevölkerung bekommt die türkische Regierung für ihr Vorhaben starken Gegenwind. Tausende Menschen in der Türkei haben bereits lautstark gegen das geplante Gesetz protestiert.
Auch du kannst jetzt laut werden und deinem Unmut über die geplante Gesetzesänderung Gehör verschaffen.
Gleichzeitig kannst du die Tierschutzvereine vor Ort unterstützen, die sich unentwegt für die Straßentiere in der Türkei einsetzen. Sie kämpfen oftmals allein auf weiter Flur. Sie versorgen die notleidenden Straßentiere mit Futter, lassen sie medizinisch versorgen und führen Kastrationen durch. Sie übernehmen Verantwortung für jene Tiere, derer man sich einfach entledigt hat. Wenn sie es nicht tun, tut es oftmals keiner.
Immer wieder stehen Straßentiere und Menschen in Konflikt, obwohl das Leid der vielen Straßentiere ein menschengemachtes Problem ist. Der Konflikt kann langfristig nur gelöst werden, indem dauerhaft Verantwortung übernommen wird – und zwar auf humane Weise. Damit diejenigen, die unverschuldet in diesen Konflikt geraten sind, nicht zu einem weiteren Todesopfer werden.
„Warum ist die Logik immer geprägt von der Frage ‚wie können wir zerstören‘ und nicht von der Frage ‚wie können wir ihnen ein besseres Leben ermöglichen‘? Haben diese Lebewesen nicht das Recht zu leben?“