Magazin · Tierschutz aktiv · 10. Oktober 2024 · 5 Min. Lesezeit
Unermüdlich im Einsatz: Wie Tierärzte in Rumänien das Leid auf den Straßen lindern
Während die Politik auf das systematische Töten von Straßenhunden in Rumänien setzt, geben Tierärztinnen und Tierärzte tagtäglich alles, um die Population auf humane Weise einzudämmen. Sie wissen: Nur Kastrationen verhindern künftiges Leid. Erfahre hier mehr über ihr Engagement und die Situation in Rumänien.
Tierärztinnen und Tierärzte wie Isabela Ciofica (r.) leisten einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung der Straßenhundepopulation. Foto: Ben Mangelsdorf
Bei unserer Reise nach Rumänien haben wir viel Schreckliches gesehen. Wir haben die Tötungsstation in Târgu Jiu besucht und erneut Einblicke in das grausame System rund um das Einfangen und Töten von Straßenhunden gewonnen. Die Bilder von diesen geschundenen Tieren, die an diesem Ort vor sich hinvegetieren und auf den Tod warten, werden wir nie vergessen.
Doch wir haben vor Ort auch beeindruckende Menschen kennengelernt. Tierärztinnen und Tierärzte, die alles tun, um das Leid auf Rumäniens Straßen und in den Tötungsstationen zu verhindern und sich aus tiefster Überzeugung für den Tierschutz engagieren.
Die Veterinärinnen und Veterinäre wissen: Nur durch flächendeckende Kastrationen kann die Population an Straßentieren langfristig eingedämmt werden, sodass das Einfangen und Töten der Tiere nicht länger als notwendige Maßnahme angesehen wird.
Nur wenn das Problem an der Wurzel gepackt wird, kann dieser Kreislauf aus Leid und Tod, der die heimatlosen Tiere auf den Straßen und den Tötungsstationen ereilt, verhindert werden.
Ob in der Klinik oder auf einer Wiese: Kastrieren für den Tierschutz
Die Tierärztinnen und Tierärzte tun alles in ihrer Macht Stehende, um langfristig dazu beizutragen, dass die vielerorts hohe Anzahl an Straßenhunden zurückgeht.
Sie kastrieren nicht nur unentwegt in Kliniken, sondern kommen auch zu den Menschen in den ländlichen Gebieten.
Mit der Unterstützung von Tierschutzvereinen organisieren sie Kastrationskampagnen, bei denen die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner ihre Haustiere kostenlos kastrieren lassen können.
Denn: Noch immer sind viele Haustiere in Rumänien nicht kastriert. Zwar existiert offiziell eine Kastrationspflicht für Hunde, doch diese wird kaum kontrolliert.
Um der hohen Population an Straßenhunden entgegenzuwirken, muss sichergestellt werden, dass auch Haustiere flächendeckend kastriert werden. Foto: Ben Mangelsdorf
Hunde, die in Rumänien gehalten werden, haben selten einen ähnlichen Stellenwert wie Haustiere in Deutschland. Falls sie ein Zuhause haben, leben sie oftmals ausschließlich im Garten oder auf dem Hof, um das Grundstück zu bewachen.
Die unkastrierten Haustiere können sich sowohl untereinander als auch mit den Straßenhunden unkontrolliert vermehren. Kommt es zu Nachwuchs, wird dieser häufig ausgesetzt und so zur nächsten Generation unkastrierter Straßenhunde. Ebenso ergeht es häufig den Muttertieren, da kein weiterer Nachwuchs erwünscht ist.
Die Haustiere sind die Vorantreiber der Straßentierpopulation – und genau das wollen die Tierärztinnen und Tierärzte verhindern.
Tierärztinnen wie Isabela Ciofica müssen sich dabei an die Gegebenheiten anpassen, die sie bei den Kastrationskampagnen in den Dörfern vorfinden. Manchmal ist es nichts weiter als eine Wiese, ein Tisch und eine abwischbare Tischdecke, die fix übergeworfen wird. Sonstiges Equipment, das Isabela für die Kastrationen benötigt, hat sie dabei.
Tierärztin Isabela Ciofica (M.) versucht in den Dörfern, so viele Tiere wie möglich zu kastrieren. Auch wenn das bedeutet, dass sie unter freiem Himmel operiert. Foto: Ben Mangelsdorf
Um den Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern einen reibungslosen Ablauf zu garantieren und möglichst vielen die Möglichkeit zu geben, ihr Tier kastrieren zu lassen, geben die Tierärztinnen und Tierärzte im Vorfeld bekannt, wann sie vor Ort sind und vergeben Termine.
Für die Menschen in den Dörfern entstehen so keine Wartezeiten. Sie kommen, lassen ihr Tier kastrieren und können es anschließend gleich wieder mit nach Hause nehmen. Häufig kastriert Isabela die Haustiere auch direkt bei den Menschen zuhause.
Auch Tierarzt Radu Hotoboc ist während unseres Besuches gerade im Landkreis Gorj unterwegs, um möglichst viele Hunde zu kastrieren. Als OP-Raum dient ihm hier die Aula einer Schule.
Tierarzt Radu Hotoboc (r.) muss bei den Kastrationskampagnen in den Dörfern mit minimaler Ausstattung klarkommen. Foto: VETO
Radus Wunsch: Ein Kastrationsmobil, mit dem er ein steriles Umfeld für die Operation schaffen kann. Er hofft, dass die professionelle Ausstattung auch dazu beiträgt, dass die Menschen vor Ort den Kastrationskampagnen noch mehr Vertrauen schenken.
„Im Moment sind die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, nicht ideal. Viele Menschen kommen nicht, weil wir keine ordentlichen Einrichtungen wie saubere Tische haben. Mit einer mobilen Einheit könnten wir mehr Menschen in den Dörfern erreichen.“
Langfristiger Fortschritt durch Aufklärungskampagnen
Die Tierärztinnen und Tierärzte in Rumänien kommen auch mehrmals in die einzelnen Dörfer, um aufzuklären und für die Kastrationen zu werben. Dass die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner ihre Haustiere bislang nicht kastrieren ließen, kann mehrere Gründe haben.
„Manche haben nicht die finanziellen Mittel für eine Kastration, andere wollen diese nicht, sind nicht interessiert oder wissen schlichtweg nichts darüber.“
Ausdauer und Beharrlichkeit sind hier entscheidend, um langfristig bei möglichst vielen Menschen ein Umdenken und eine Etablierung des Tierschutzgedankens zu erreichen.
Tierärztin Patricia Parashiv setzt hier bereits bei den Kleinsten an. In Kindergärten und Schulen informiert sie und klärt regelmäßig Kinder und Heranwachsende zum Thema Tierschutz auf.
Kürzlich hat Patricia auch mit einer Gemeinde die Vereinbarung getroffen, dass sie von Tür zu Tür gehen darf, um bei den Anwohnerinnen und Anwohnern für Kastrationen zu werben. Gleichzeitig hat die Tierärztin so die Möglichkeit, zu erfassen, wie viele Tiere überhaupt in der Gemeinde gehalten werden.
Mit Aufklärungs- und Kastrationskampagnen möchte Tierärztin Patricia Parashiv nachhaltig einen Unterschied machen. Foto: Patricia Parashiv
Seit diesem Jahr werden die Tiere bei Patricias Kastrationskampagnen auch gleich gechippt und registriert, um auch hier Rückschlüsse auf die Anzahl ziehen zu können. Gleichzeitig wird es dadurch später auch schwieriger, ein Tier anonym auszusetzen.
Sie werden laut und zeigen Missstände auf
Während die Tierärztinnen und Tierärzte alles geben, um die Population an Straßenhunden durch Aufklärung und Kastrationskampagnen einzudämmen, setzt die Politik in Rumänien auf das systematische Töten der Tiere.
Tausende Hunde fristen in dem Land in Tötungsstationen ihr Dasein. Nach einer Frist von 14 Tagen dürfen sie per Gesetz getötet werden.
Unermessliches Leid und kein Entkommen: Statt auf eine humane Lösung setzt die Politik in Rumänien auf Tötungsstationen. Foto: VETO
Eine dieser Tötungsstationen befindet sich in der Stadt Târgu Jiu. Am 12. August kam es hier zu einer Massentötung. 60 Hunde wurden laut Medienberichten und Tierschützenden vor Ort innerhalb von nur einer Stunde getötet.
Die Situation muss einem Massaker geglichen haben, denn eine Euthanasie im Sinne eines medizinischen Verfahrens, das zu einem schmerzlosen Tod führt, ist in so kurzer Zeit unmöglich.
Tierschützende sowie Tierärztinnen und Tierärzte wie Patricia sind schockiert, als die Massentötung bekannt wird.
Für sie steht fest: Sie muss etwas tun.
Wo auch immer Patricia die Möglichkeit hat, nutzt sie ihre Stimme, um die Missstände aufzuzeigen und anzuprangern – ob regelmäßig bei Social Media oder auch im Fernsehen.
In Târgu Jiu organisiert sie einen großen Protest, bei dem mehrere hundert Menschen gegen die Tötung der Hunde demonstrieren. Patricia verteilt dabei Flyer und versucht möglichst viele Menschen von Kastrationen zu überzeugen – auch wenn sie dabei nicht immer auf Zustimmung stößt.
Viele Menschen schlossen sich Patricia an, um der getöteten Hunde zu gedenken und zu protestieren. Foto: Ben Mangelsdorf
Auch Isabela ist bei dem Protest vor Ort, denn für sie ist, wie für viele Tierschützenden sowie Tierärztinnen und Tierärzte, klar: „Das Problem sollte mit Kastrationen gelöst werden, nicht mit Tötungen!“
Mit ihrem Engagement und ihrer Präsenz im Kampf gegen Tötungsstationen machen sich die engagierten Tierärztinnen und Tierärzte in Rumänien auch potenziell zur Zielscheibe.
Denn: Mit dem Einfangen und Töten der Straßenhunde ist in dem Land ein Millionengeschäft entstanden, Korruption und mafiöse Strukturen breiteten sich aus. Doch die Tierärztinnen und Tierärzte lassen sich nicht unterkriegen und setzen sich weiter unentwegt für mehr Tierwohl ein.
Ständig im Kampf gegen die Zeit
Um die Population an Straßentieren in einem Gebiet stabil zu halten, beziehungsweise einzudämmen, ist es nötig, dass mindestens 70 Prozent der Tiere kastriert sind.
Das Problem: Es werden immer wieder neue Tiere ausgesetzt oder es kommt unter den noch unkastrierten Straßentieren und Haustieren zu neuem Nachwuchs.
Fehlende Kastrationen schaffen einen endlosen Kreislauf des Leidens. Unerwünschte Tiere werden bereits im Welpenalter ausgesetzt. Foto: VETO
Die Tierärztinnen und Tierärzte in Rumänien befinden sich daher stets in einem Wettlauf gegen die Zeit.
„Es gibt so viele Menschen, die ihre Haustiere kastrieren lassen müssen, um zu verhindern, dass weitere Welpen auf der Straße landen. Das ist allgemein sehr wichtig für unser Land.“
Es ist also entscheidend, dranzubleiben. Kastrationen führen nicht von heute auf morgen zu einem Erfolg, sondern langfristig.
Mit den Tierschutzvereinen haben die Tierärztinnen und Tierärzte starke Partner an ihrer Seite, die sich bewusst sind, dass es durch Kastrationen und Aufklärungsarbeit nicht zu einem sofortigen Ende des Leids und einer endgültigen Verbesserung der Tierschutz-Situation vor Ort kommt.
„Im Moment können wir nur die Geschwindigkeit der Vermehrung drosseln, bestenfalls wirklich zur Stagnation kriegen und erst in einigen Jahren tatsächlich einen Rückgang der Population sehen.“
Doch es gibt bereits erste Beobachtungen, die Hoffnung geben. So sind die Kastrationskampagnen, die der Verein Future 4 Paws unter anderem mit Patricia umsetzt, immer ausgebucht. Viele Menschen sind also mittlerweile gewillt, ihre Haustiere kastrieren zu lassen. Seit Anfang des Jahres hat Future 4 Paws e. V. nach eigenen Aussagen bereits mehr als 4.000 Tiere kastriert.
Auch von der Kommunalpolitik erhält der Verein teilweise Zuspruch für sein Engagement. „Es gibt Bürgermeister, die wirklich sagen, dass sie es super finden und in ihrer Gemeinde dazu aufrufen, dass die Leute zu unserer Kampagne kommen und sich bei uns persönlich bedanken“, schildert Merlyn Herrmann, die erste Vorsitzende von Future 4 Paws e. V.
Ihre Motivation: Die Liebe zu den Tieren
Radu, Isabela und Patricia geben tagtäglich alles, um künftiges Leid auf den Straßen und den Tötungsstationen in Rumänien zu verhindern.
Was sie tagtäglich anspornt, ist die Liebe zu den Tieren und der unbändige Wille, einen nachhaltigen Unterschied zu machen.
„Ich wünsche mir aus tiefstem Herzen, dass ich künftig keine Hunde mehr auf den Straßen sehe, insbesondere mit Welpen. Denn das ist die gegenwärtige Situation in diesem Gebiet. Keine Hunde mehr auf den Straßen zu sehen, ist das, was ich mir am meisten wünsche.“
Mit Unterstützung der Tierschutzvereine treiben die Tierärztinnen und Tierärzte in Rumänien den Tierschutz voran und sorgen langfristig für Verbesserungen.
Mit jeder Kastration sorgen die Tierärztinnen und Tierärzte für weniger Tierleid. Foto: VETO
Sie gehen bis an ihre Grenzen und nehmen eine enorme emotionale Belastung auf sich. Doch Aufgeben ist für die Veterinärinnen und Veterinäre keine Option.
„Was mich motiviert, weiterzumachen, ist die Hoffnung. Vielleicht nicht dieses Jahr, aber ich hoffe, dass wir nächstes Jahr eine Veränderung sehen werden. Ich werde immer wieder in die Dörfer zurückkehren, um sicherzustellen, dass es passiert.“
So kannst du die Tierärzte bei ihrem Einsatz für den Tierschutz unterstützen
Jeder kastrierte Hund bedeutet weniger ungewollten Nachwuchs und weniger Leid auf den Straßen. Kastrationsprogramme wie jene von Radu, Isabela und Patricia sind die einzige langfristige Lösung, um die Straßenhundepopulation zu kontrollieren und zu verhindern, dass Hunde in überfüllten Tötungsstationen landen.
Um ihren wertvollen Einsatz für weniger Leid auf Rumäniens Straßen fortführen zu können und noch mehr Hunde zu kastrieren, benötigen die Tierärztinnen und Tierärzte dringend Unterstützung.
Mit unserer Kampagne Zum Tode Verurteilt kannst du ihre Mission unterstützen. Ziel ist es, ein Kastrationsmobil zu finanzieren, das jährlich tausende Eingriffe ermöglicht. Gleichzeitig möchten wir mit Futterspenden sicherstellen, dass kein Hund hungern muss, während wir an nachhaltigen Lösungen arbeiten.
Sei jetzt Teil der Lösung und mach mit uns einen Unterschied! Gemeinsam verhindern wir, dass sich immer mehr Tiere auf den Straßen Rumäniens durchschlagen müssen und ums Überleben kämpfen. Gemeinsam bewegen wir Tierschutz.