Magazin · Tierschutz aktiv · 4. Juni 2020 · 4 Min. Lesezeit
Tierschutz in Italien
Strand, Meer, Pizza und „Gelato“: Für viele ist Italien ein Sehnsuchtsort. Kaum jemand würde hungernde Straßentiere und furchtbares Tierleid mit dem beliebten Urlaubsland verbinden. Hier erfährst du, dass jedoch auch dies eine Seite von Italien ist.
Scheinbar herrenlose Tiere sieht man überall in Italien. Doch offiziell gehören sie der Gemeinde. Foto: Leben für Streuner e.V.
Straßenhunden und -katzen begegnet man überall in Italien. Im Süden steigt die Zahl der Straßentiere am schnellsten an, Hunde und Katzen vermehren sich unkontrolliert.
Wie überall, wo rasant wachsende Zahlen von Streunern zum Problem werden, müsste auch in Italien der Fokus viel stärker auf Kastrationen liegen. Doch Kastrationen gelten für viele Italiener:innen als unnatürlich. Mit Kosten bis zu 150 Euro sind diese Eingriffe zudem vergleichsweise teuer.
Tierschutz ist klar geregelt
Es ist nach Aussage von Tierschützer:innen auch gar nicht so einfach, Straßentiere kastrieren zu lassen – oder ihnen auch nur zu helfen, wenn sie in Not sind. Ein Tierschutzgesetz regelt ganz genau, was erlaubt ist und was nicht. Leider nicht immer zugunsten der Tiere.
Dabei scheint das italienische Tierschutzgesetz auf den ersten Blick genau das zu wollen: den Schutz der Tiere. Man könnte sogar meinen, es sei eines der besten existierenden Tierschutzgesetze in Europa.
Wer sich ohne Erlaubnis um Streuner kümmert, macht sich unter Umständen strafbar. Foto: SardinienHunde e.V.
Gesetze ohne Wirkung
Italiens Tierschutzgesetz sieht den Staat beispielsweise in der Pflicht, für Geburtenkontrolle zu sorgen. Zudem besagt das Gesetz, dass das Aussetzen von Vierbeinern strafbar ist und mit Geldbußen von bis zu 10.000 Euro oder einem Jahr Gefängnis geahndet wird.
Das Töten von Streunern ist seit 1991 verboten und Hundehalter:innen sind vom italienischen Staat dazu verpflichtet, ihre Tiere chippen und in einem Haustierregister eintragen zu lassen.
Tierschutzvereine haben es schwer
Warum gibt es trotzdem so viele Straßen- und Tierheimtiere? Diese Frage lässt sich leicht beantworten: Kaum jemand setzt sich für die Einhaltung der Gesetze ein, berichten Tierschützer:innen. Ist ein Tier etwa alt oder krank, setzen es viele Besitzer:innen einfach aus.
Da es aber die Gesetze gibt, die theoretisch alles bestens regeln, haben es Tierschutzorganisationen umso schwerer, eigenmächtig zu handeln. Denn ein vermeintlich herrenloser Streuner oder sogar ganze Katzenkolonien gehören automatisch dem Oberhaupt der jeweiligen Gemeinde.
Tierschutzorganisationen machen sich strafbar, wenn sie ein Tier von der Straße holen, da dieses offiziell nicht herrenlos ist. Selbst dann, wenn ein Vierbeiner krank oder verletzt ist, darf es nicht ohne Weiteres eingefangen werden.
Kastrationen dürfen nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Gemeinde durchgeführt werden. Diese Genehmigungen lassen aber auf sich warten, beklagen die Tierschutzvereine. Bis dahin haben die Tiere meist schon einen nächsten Wurf Welpen und Kitten zur Welt gebracht.
Eigentlich ist der Staat für die Geburtenkontrolle zuständig, doch die Straßentiere vermehren sich ungebremst. Foto: SardinienHunde e.V.
Die Not der Tiere als Geschäft
Anstatt diese Probleme und das damit verbundene Tierleid zu bekämpfen, wird vielerorts aus der Not der Tiere noch ein Geschäft gemacht. Jede Gemeinde bekommt Geld für ein Tier, das im Tierheim untergebracht ist – eigentlich für die Versorgung des Vierbeiners.
Das Geld aber landet stattdessen oft in den Taschen korrupter Behörden oder Tierheimbetreiber:innen und die Tiere fristen ein leidvolles Dasein in den sogenannten Canile, den Tierheimen in Italien. Mit Tierheimen in Deutschland haben diese Orte nichts gemeinsam.
Die Hunde und Katzen sitzen dort in kleinsten Verschlägen, ohne Sonnenlicht, Auslauf oder Kontakt zu Artgenossen. Sie werden nach Aussage von Tierschützer:innen nur mit dem Nötigsten versorgt, medizinische Behandlung bekommen sie keine. Und das meist ihr Leben lang.
Lebenslang eingesperrt
Denn die Tierheimbetreiber:innen haben kein Interesse daran, Hunde und Katzen, die ihnen Geld bringen, zu vermitteln. Ist ein Vierbeiner einmal in einem Canile gelandet, hat er schlechte Karten, dort je wieder rauszukommen.
Zugang für Außenstehende oder Tierschützer:innen sind die absolute Ausnahme. Nur sehr selten gelingt es Tierfreund:innen, ein Canile betreten zu dürfen – und dann vielleicht sogar ein Tier zu retten.
Viele Hunde fristen in Italien ein trauriges Leben an der Kette. Foto: Leben für Streuner e.V.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Kontrolliert werden die Zustände in den Tierheimen in der Regel nicht. So fällt es auch nicht auf, wenn ein Tier elendig verendet. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Nicht jedes Tierheim ist korrupt und handelt zum Nachteil der Vierbeiner.
Genau dort setzen engagierte Tierschützer:innen an. Sie unterstützen artgerechte Tierheime und kämpfen gemeinsam mit ihnen für die Straßentiere und gegen das vergiftete System aus Korruption und Tierquälerei.
Tierschützer:innen setzen sich nicht nur dafür ein, Tiere von der Straße in tierfreundlichen, lebenswerten Tierheimen unterzubringen, sie dort aufzupäppeln und dann schnellstmöglich zu vermitteln.
Sie betreiben auch wichtige Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung und machen den Menschen klar, dass Hunde kastriert und gechippt werden müssen. Sie sollen lernen, dass Tiere keine Gegenstände sind, sondern Freunde fürs Leben.