Magazin · Tierschutz aktiv · 11. Mai 2022 · 5 Min. Lesezeit
Die Zukunft des Tierschutzes: Zu Besuch bei der Tierschutzjugend
Kinder möchten ernstgenommen werden, teilhaben und sich engagieren - das gilt natürlich auch für den Tierschutz. Nicola Kreuzmann leitet das Tierheim in Moers und erzählt uns im Interview, wie sich die Kinder- und Jugendgruppen für Tiere und die Natur stark machen.
In den Jugendgruppen der Tierheime wird Tierschutz für Kinder und Jugendliche erlebbar. Foto: Shutterstock
Bunte Handabdrücke von Kindern zieren die Wände im Jugendraum des Moerser Tierheims. Auf großen Tischen liegt Bastelmaterial, einige fertige Plakate wurden bereits in ein Regal geräumt. „Rote Hunde“ ist als Überschrift zu lesen oder auch „Tollwut – Was ist das eigentlich?“. Diese Plakate seien in Gruppenstunden entstanden, erklärt Nicola Kreuzmann. Die Kinder brächten so das Wissen, das sie erlangt haben zu Papier. Anschließend würden die Plakate für Infostände oder Aushänge verwendet, erläutert die Tierheimleiterin.
Nicola leitet nicht nur das Tierheim, sondern ist auch für die Tierschutzjugend in Moers und Umgebung zuständig. Zusätzlich engagiert sie sich bei der Tierschutzjugend NRW, um möglichst viele Kinder und Jugendliche mit Tierschutzthemen in Berührung zu bringen. Im Interview erzählt uns Nicola, warum ihr dieses Projekt so sehr am Herzen liegt.
Liebe Nicola, warum ist es für das Tierheim Moers so wichtig, eine Tierschutzjugend zu haben?
Diese Kinder sind die Tierschützer und auch die Hunde- und Katzenhalter von morgen. Und ich finde, das sollte gefördert werden. In der Schule wird Tierschutz kaum angesprochen; Was mache ich, wenn ich kleine Vogelkinder finde? Wie verhalte ich mich in der Natur? Das sind alles Themen, die meiner Meinung nach in der Kinder- und Jugendpädagogik völlig nach hinten überfallen. Dadurch ist die Idee einer Tierschutzjugend geboren.
Wie alt sind die Kinder und Jugendlichen?
Wir haben zwei Jugendgruppen, die wir bewusst getrennt haben. Vor etwa sechs Jahren haben wir eine Gruppe gegründet, in der Kinder ab Schuleintritt bis zur Volljährigkeit teilnehmen konnten. Wir haben aber ganz schnell an den Themen gemerkt, dass wir die Gruppe splitten müssen. Mit einem siebenjährigen Kind kann ich Themen, die wir mit Jugendlichen behandeln, noch nicht besprechen. Teenager haben ganz andere Fragen als die Kleinen. Nehmen wir das Beispiel Hühnerhaltung: Ältere Kinder stellen auch Fragen zum Schreddern von männlichen Küken, für junge Kinder ist das noch viel zu heftig. Das war ein Moment, in dem wir beschlossen haben, die Gruppe zu teilen in eine Gruppe für Kinder im Grundschulalter und eine für Teenager.
„Tierschutz ist der rote Faden, der die Kids begleitet.“
Welche Themen werden in den Gruppen behandelt?
Die Kinder stellen viele Fragen, aus denen sich dann Projekte und Ideen entwickeln können. Wir hatten früher hier im Tierheim ein altes Taubenhaus, das echt nicht schön war. Dann hat die Tierschutzjugend eine Spende erhalten und ich habe die Kids gefragt: Was wollt ihr mit dem Geld machen? Ich eröffne dann einmal eine Diskussion und die Antworten sind ganz unterschiedlich. Manche schlagen vor, Süßigkeiten für die Gruppe zu kaufen, aber die älteren Kids schreiten dann direkt ein und erklären, dass die Spende natürlich für den Tierschutz eingesetzt werden soll.
Dann ist die Idee entstanden, das Taubenhaus zu erneuern. Und so wurde es dann auch gemacht. Die Kinder haben das komplette Material mit der Spende finanziert und auch ihre genauen Vorstellungen umgesetzt. Sie wollten, dass die Tauben auch raus können. Die meisten Tauben hier sind Hochzeitstauben, aber es sind auch Abgabetiere dabei, die jetzt im neuen Taubenhaus untergebracht sind.
Viele Themen ergeben sich auch aus dem Tierheimalltag. Als wir im Tierheim unsere Tollwutquarantäne neu gebaut haben, haben einige Kinder gefragt, was Tollwut überhaupt ist. Und dann machen wir dazu eine Gruppenstunde und erklären erst einmal, was Tollwutquarantäne bedeutet. Erwachsene benutzen immer große Worte, aber erklären selten kindgerecht. Die Kinder basteln hier mit uns Plakate zu dem Thema und berichten dann zu Hause Oma, Opa, Eltern und Geschwistern, warum eine Tollwutquarantäne im Tierheim so wichtig ist. So werden die Themen aus der Tierschutzjugend auch in die Familien getragen.
Wie schaffst du es, den Kindern Tierschutzthemen nahe zu bringen?
Wir versuchen Tierschutz erlebbar zu machen. Als unser Hundehaus zum Beispiel neu gebaut wurde, haben einige Kinder sich gefragt, ob die Hunde sich in dem neuen Gebäude wohlfühlen werden. Ich hatte dann die Idee, es einfach mit den Kindern auszuprobieren. Bevor also die ersten Hunde ins Hundehaus eingezogen sind, habe ich mit der Tierschutzjugend eine Nacht lang dort übernachtet. Die Eltern brachten die Kinder freitagnachmittags zum Tierheim. Es waren auch Kinder dabei, die nie im Schullandheim schlafen wollten oder auch noch nie bei Oma und Opa übernachtet haben. Gemeinsam haben wir dann das Hundehaus erkundet, in der neuen Hundeküche abends einen Film geguckt, Stockbrot am Lagerfeuer gemacht und dann haben wirklich alle Kinder im Hundehaus geschlafen und fanden es super!
Ich engagiere mich auch bei der Tierschutzjugend NRW, wo wir komplette Wochenenden mit den Kids verbringen. Einmal hatten wir ein „Hühner-Wochenende“, beim nächsten Mal geht es darum, wie ich einen guten Reiterhof erkenne.
Ein eingeschworenes Team: Bei den Wochenenden der Tierschutzjugend NRW wachsen die Kinder und Jugendlichen zusammen. Foto: Tierschutzverein Moers und Umgebung e. V.
Die Kinder lernen bei dir viel über Haustierhaltung. Wenden sie dieses Wissen auch zu Hause an?
Definitiv. Es kommt schon manchmal vor, dass wir selbst das Gespräch mit den Eltern suchen, zum Beispiel, wenn ein Kind berichtet, dass ein Meerschweinchen oder Kaninchen in einem kleinen Käfig im Kinderzimmer gehalten wird. Das Kind kann nichts dafür, es wurde ja dazu angeleitet, das Tier so zu halten. Wir fragen dann vorsichtig nach, ob man das optimieren kann.
Nicht so schön ist, wenn wir hören, dass Kinder aus der Tierschutzjugend sich ein Kleintier aus dem Zooladen holen. Dabei wissen die Kinder ja, dass wir an der „Quelle“ sitzen. Aber das spornt uns nur noch mehr an, weiterzumachen.
Kannst du beobachten, dass Kinder und Jugendliche auch außerhalb der Tierschutzjugend dem Tierschutz treu bleiben?
Auf jeden Fall! Wir haben Kinder, die in ihren Schulen inzwischen AGs anbieten. Sie tragen also das, was sie hier von uns gelernt haben, in die Schulen. Einige Berufe und Ausbildungen der Jugendlichen gehen auch in die Richtung: Ein Gründungsmitglied unserer Gruppe ist inzwischen erwachsen und tiermedizinische Angestellte in einer Tierklinik. Ein anderes ehemaliges Mitglied studiert erneuerbare Energien und eine unserer Abiturientinnen wird demnächst Tiermedizin studieren. Tierschutz ist der rote Faden, der die Kids begleitet.
Wie können interessierte Kinder und Jugendliche an einem Gruppentreffen teilnehmen?
Bei uns läuft es so, dass man sich per Mail anmelden kann. Ich vereinbare dann meist einen Termin, denn nicht alle Gruppentreffen finden am Tierheim statt, sondern wir machen auch mal Ausflüge. Bei der nächsten Gruppenstunde machen wir zum Beispiel eine große Natur-Rallye, das wäre für neue Kinder dann nicht so geeignet. Alle Kinder ab Grundschulalter sind bei uns ganz herzlich willkommen. bei der Tierschutzjugend NRW findet man auch eine Auflistung aller Jugendgruppen in Nordrhein-Westfalen. Die Kinder oder Eltern können sich einfach bei der passenden Gruppe melden. Wir sind immer froh, wenn engagierte Kinder zu uns kommen und einfach mitmachen.
Vielen Dank für das Gespräch, Nicola.
Das komplette Gespräch mit Nicola Kreuzmann gibt es auch zum Anhören in unserem Podcast:
Tierschutz für Kinder auf einen Blick:
Für Kinder und Jugendliche bestehen zahlreiche Möglichkeiten, den Tierschutz zu unterstützen. Einige Ideen und Anregungen gibt es hier in unserer Übersicht:
- Mach bei einer Jugendgruppe mit: Wenn du dich selbst besser zum Thema Tierschutz informieren und regelmäßig Hilfe für Vierbeiner leisten möchtest, kannst du gemeinsam mit anderen in einer Gruppe viel bewirken.
- Halte ein Referat: Damit auch deine Mitschüler:innen von deinem Wissen profitieren, kannst du Tierschutzthemen in der Schule aufgreifen.
- Hol eine:n Tierschutzlehrer:in in deine Schule: Für Projektwochen können speziell ausgebildete Lehrer:innen deiner Klasse Tierschutz näher bringen.
- Engagiere dich im Tierheim: Viele Tierheime bieten auch für junge Menschen einige Möglichkeiten an, um zu helfen. Vielleicht möchtest du einen Hund ausführen oder mit Katzen kuscheln? Das Tierheim in deiner Nähe freut sich bestimmt über deinen Einsatz.
- Nutze Social Media: Wenn du Postings von Tierschutzorganisationen teilst oder selbst eine Spendenaktion für Tiere in Not startest, unterstützt du den Tierschutz ganz bequem vom Handy aus.
- Hilf Tieren, die gequält werden: Tierquälerei ist eine Straftat, die angezeigt werden sollte. Wenn du den Eindruck hast, dass ein Tier absichtlich gequält wird, erzähle es einem Erwachsenen oder bringe die Tat bei der Polizei zur Anzeige.
- Adopt don´t Shop: Deine Familie und du möchten einem Tier ein Zuhause geben? Achte darauf, dass ihr ein Tier aus dem Tierschutz aufnehmt und nicht aus einem Geschäft oder dem Internet.
- Sammle Spenden: Es gibt viele Möglichkeiten, um Spenden für den Tierschutz zu sammeln. Das geht über Social Media, aber auch über einen Kuchenverkauf in der Schule.
- Gründe eine AG: Wenn du dich schon ein wenig mit Tierschutz auskennst, kannst du an deiner Schule eine Arbeitsgemeinschaft anbieten.