Magazin · Tierschutz aktiv · 1. Oktober 2024 · 6 Min. Lesezeit
Tötungsstationen in Rumänien: Das grausame Geschäft mit dem Tod von Straßenhunden
Wie läuft dieses Geschäft ab? Wie ergeht es den Straßenhunden in Rumänien und was ereignete sich am 12. August in der Tötungsstation in Târgu Jiu? Wir von VETO waren vor Ort in Rumänien und gewannen Einblicke in dieses grausame System um das Einfangen und Töten von Straßenhunden.
Ihr Leid wird missachtet: Unzählige Hunde fristen in rumänischen Tötungsstationen ihr jämmerliches Dasein. In dem grausamen System zählt nur der Profit. Foto: VETO
Sie blicken resigniert ins Leere – zusammengekauert auf dem kalten Betonboden. Und warten auf den Tod.
Tausende Hunde fristen in Rumänien in Tötungsstationen ihr Dasein. Nach einer Frist von 14 Tagen dürfen sie per Gesetz getötet werden.
Statt eine humane Lösung für die Eindämmung der Population an Straßenhunden zu finden, setzt die Politik in Rumänien auf das systematische Töten der Tiere. Die Tötung von eingefangenen Straßenhunden wurde zum Geschäftsmodell und korrupte und grausame Machenschaften breiteten sich aus.
Warum gibt es in Rumänien so viele Straßentiere?
Mehrere Faktoren haben dazu geführt, dass sich in Rumänien so viele Tiere auf der Straße durchschlagen müssen – und haben noch stets zur Folge, dass die Anzahl der Straßentiere nicht zurückgeht.
Der Ursprung für die hohe Population an Straßentieren liegt bereits einige Jahrzehnte zurück – die Folgen beeinflussen das Land jedoch noch immer.
Ein sogenanntes Systematisierungsprogramm sollte das Land bis 2000 komplett umstrukturieren. Zwischen 5.000 und 7.000 Dörfer sollten laut diesem Programm verschwinden und durch wenige agroindustrielle Zentren ersetzt werden.
Viele Menschen verließen ihre Heimatdörfer, um sich in der nächsten Stadt eine Zukunft aufzubauen. In die kleinen Dörfer wurde von staatlicher Seite nicht mehr investiert. Diejenigen, die abgewandert waren, fanden ihr neues Zuhause in großen Wohnblöcken, die gerade genug Platz für die Menschen boten.
Haustiere waren hier unerwünscht. Sie wurden deshalb häufig in den verlassenen Dörfern zurückgelassen und waren fortan auf sich allein gestellt. Sie ernährten sich von dem, was sie fanden, und vermehrten sich unkontrolliert.
Die Umsiedlung der Menschen funktionierte nicht. Heute leben viele Menschen in Rumänien in großer Armut – besonders in den Dörfern, die es eigentlich gar nicht mehr geben sollte.
Das Leid auf den rumänischen Straßen ist groß. Viele der Straßentiere sind in einem katastrophalen Zustand. Foto: VETO
Noch immer sind viele Haustiere in Rumänien nicht kastriert. Zwar existiert offiziell eine Kastrationspflicht für Hunde, doch diese wird kaum kontrolliert.
Hunde, die in Rumänien gehalten werden, haben selten einen ähnlichen Stellenwert wie Haustiere in Deutschland. Falls sie ein Zuhause haben, leben sie oftmals ausschließlich im Garten oder auf dem Hof. Sie bewachen das Grundstück und erhalten dafür ein wenig Futter und Wasser. Kastriert oder medizinisch versorgt werden sie nicht. Erfüllen sie ihren Zweck nicht mehr, werden sie einfach ausgesetzt.
Die unkastrierten Haustiere können sich sowohl untereinander als auch mit den Straßenhunden unkontrolliert vermehren. Kommt es zu ungewolltem Nachwuchs, wird dieser häufig ausgesetzt und so zur nächsten Generation unkastrierter Straßenhunde.
Hinzukommt, dass der illegale Welpenhandel seit vielen Jahren in Rumänien boomt. Zuchtbetriebe erzeugen unter widrigsten Bedingungen unzählige Welpen, um sie in andere Länder zu exportieren. Werden für die Welpen keine Käuferinnen und Käufer gefunden, werden diese einfach wie Müll entsorgt und finden sich auf der Straße wieder. Ebenso ergeht es den Muttertieren sobald sie keine Gewinne mehr einbringen.
Die wachsende Population von Straßentieren schafft einen endlosen Kreislauf des Leidens. Die Tiere kämpfen tagtäglich ums Überleben. FOTO: VETO
Unentwegt werden in Rumänien neue Tiere ausgesetzt und es kommt auf den Straßen zu neuem Nachwuchs. Doch statt auf Kastrationskampagnen setzt die Regierung auf das systematische Töten der Straßenhunde – obwohl sich längst gezeigt hat, dass das Einfangen und Töten der Tiere zur Populationskontrolle völlig ineffektiv ist.
Sobald ein Revier durch das Einfangen der Straßenhunde frei wird, werden die dort zur Verfügung stehenden Ressourcen von anderen Straßenhunden oder ausgesetzten Haustieren genutzt. Die Tiere können sich unkontrolliert weitervermehren und die Anzahl der Tiere wird nicht reduziert.
Wie viele Tötungsstationen gibt es in Rumänien?
In Rumänien gibt es mehr als 140 Tötungsstationen. In dem Land hat sich ein System entwickelt, dass Straßenhunde massenhaft einfängt und tötet.
Laut Informationen einer Studie, die sich auf Angaben der nationalen Tierschutzbehörde in Rumänien sowie 130 befragten Tötungsstationen sowie privaten Einrichtungen, die sich im Auftrag der Gemeinden um das sogenannte Straßenhundemanagement kümmern, stützt, seien allein von 2019 bis 2022 mindestens 110.353 Hunde eingefangen und mehr als 51.400 von ihnen getötet worden.
Von 2001 bis 2021 seien gar mehr als zwei Millionen Hunde gefangen und mehr als die Hälfte von ihnen in den Einrichtungen verstorben oder getötet worden.
Das Töten von Hunden als Geschäftsmodell
Mit dem Leid der Tiere hat sich ein lukratives Geschäftsmodell entwickelt. Städtische Tierheime und Tötungsstationen in Rumänien werden mit beträchtlichen Geldsummen pro Tier staatlich gefördert. Sowohl für die zwischenzeitliche Versorgung, als auch für die Tötung eines Tieres erhalten die Betreiberinnen und Betreiber Zuschüsse.
Mit dem Einfangen und Töten von Straßenhunden lässt sich in Rumänien gutes Geld verdienen. Es gibt viele Personen, die von dem grausamen System profitieren. Foto: VETO
So entstand mit dem Einfangen und Töten der Straßenhunde ein Millionengeschäft, Korruption und mafiöse Strukturen breiteten sich aus. Mit dem Leid der Tiere lässt sich gutes Geld verdienen. Die Zuschüsse kommen den Tieren meist nie zugute, sie werden in den Tötungsstationen unter widrigsten Bedingungen eingesperrt, weder ausreichend versorgt noch medizinisch behandelt. Die Hunde werden lediglich verwahrt, nach 14 Tagen dürfen sie per Gesetz getötet werden.
Wie jedes Mitgliedsland der Europäischen Union erhält auch Rumänien zweckgebundene und nicht zweckgebundene Subventionen.
Ein Teil der EU-Gelder fließt so in das Städtemanagement und somit in die Abfall- und Tierkörperbeseitigung der Landkreise. Darunter fällt auch das sogenannte Stray-Dog-Management, also das Einfangen und Beseitigen der Straßentiere.
60 Tötungen innerhalb einer Stunde: Die erschreckende Situation in Târgu Jiu
In der Tötungsstation in der Stadt Târgu Jiu, die sich rund 230 Kilometer westlich von Bukarest befindet, kam es am 12. August zu einer Massentötung. 60 Hunde wurden laut Medienberichten und Tierschützenden vor Ort innerhalb von nur einer Stunde getötet.
Die Tötungsstation in Târgu Jiu: 60 Hunde mussten hier am 12. August ihr Leben lassen. Foto: Ben Mangelsdorf
Tierschützende, die sich in Rumänien für die Straßenhunde engagieren, waren schockiert, als sie von der Massentötung erfuhren.
„Das ist ein Hund pro Minute, das ist unvorstellbar und das Ganze ist einfach nur grausam. Wir sind unfassbar traurig und haben natürlich Angst: Was muss passieren, bis die nächsten Tötungen angeordnet werden?“
Die Situation muss einem Massaker geglichen haben, denn eine Euthanasie im Sinne eines medizinischen Verfahrens, das zu einem schmerzlosen Tod führt, ist in so kurzer Zeit unmöglich.
„Meiner Meinung nach ist das Mord, kein medizinisches Verfahren. Um einen Hund ordnungsgemäß einzuschläfern, braucht man 10 bis 15 Minuten, aber dort erledigen sie es in nur einer Minute pro Hund. Das ist einfach unmöglich.“
Laut Informationen von Tierschützenden wurde die Tötung vom Bürgermeister der Stadt angeordnet. Die Massentötung wurde sowohl national als auch international bekannt und führte zu Demonstrationen in Târgu Jiu und in Bukarest.
Viele Menschen kamen nach der Massentötung nach Târgu Jiu, um der getöteten Hunde zu gedenken und zu protestieren. Foto: Ben Mangelsdorf
Auch der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Nicu Ștefănuță, hat sich laut Medienberichten sowohl an die örtlichen Behörden in Târgu Jiu als auch an die Europäische Kommission gewandt. In einem offiziellen Brief habe er um Klarstellungen zum Euthanasieverfahren einschließlich der Erwähnung des dabei verwendeten medizinischen Verfahrens gefordert. Die Gemeinde sei außerdem gebeten worden, anzugeben, welche Präventionsstrategie sie im Hinblick auf die Reduzierung der Zahl obdachloser Hunde umgesetzt hat oder umsetzen wird.
Als Reaktion auf die Tötung der 60 Hunde hat die Polizei des Landkreises Medienberichten zufolge ein Strafverfahren eingeleitet, die Ermittlungen laufen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Tötungsstation in Târgu Jiu die grausame Realität in Rumäniens Tötungsstationen in extremer Form demonstriert. Bereits 2023 sollte die Anzahl der damals rund 600 Hunde im öffentlichen Shelter reduziert werden und der jetzige Betreiber wurde beauftragt.
Alle 600 Hundeleben standen von jetzt auf gleich auf dem Spiel. Die Tierschutzvereine vor Ort mussten sofort handeln und konnten bei mehreren Rettungsaktionen tatsächlich alle Hunde aus dem Shelter befreien. VETO unterstützte verschiedene Tierschutzvereine mit Futterspenden für ein Jahr, um die geretteten Hunde zu versorgen. Doch nach kurzer Zeit war die Tötungsstation wieder voll.
Die Chance, die Tiere zu retten, wurde den Tierschutzenden im August verwehrt. Die 60 Hunde, deren Tod angeordnet wurde, sind die weiteren Opfer dieses grausamen Systems, das sich in Rumänien etabliert hat.
„Ich muss persönlich sagen, dass ich es sehr undurchsichtig finde, nach welchen Maßnahmen diese Tötungen veranlasst werden. Theoretisch, oder laut Gesetz ist es möglich, alle 14 Tage zu töten, wenn das Shelter zu voll ist. Das wird hier nicht so gehandhabt. Ich habe das Gefühl, dass es manchmal eine Hauruckaktion ist, ohne Vorankündigung, sodass private Tierschützer gar keine Chance haben, die Hunde dort herauszuholen.“
VETO vor Ort in der Tötungsstation in Târgu Jiu
Als wir Ende August vor Ort in der Tötungsstation sind, um die Situation zu dokumentieren und langfristig auf die massiven Missstände aufmerksam zu machen, hängen noch immer Schilder mit Nummern an den leeren Zwingern im hinteren Bereich der langen Halle. Die wenigen Informationen zu den einstigen Insassen wurden mittlerweile weggewischt. Hinweise auf ihre Existenz wurden damit ausgelöscht.
Leere Käfige in der Tötungsstation in Târgu Jiu: Hier müssen die Hunde verwahrt worden sein, die am 12. August getötet wurden. Foto: VETO
Wir kennen diesen Ort, waren bereits 2022 im Shelter von Târgu Jiu. Damals waren in den Zwingern noch Hütten und Etagen zu finden. Selbst diese wurden den Tieren in der Zwischenzeit genommen. Eine Holzpalette, auf der sie liegen können, ist alles, was ihnen blieb. Die meisten Hunde liegen auf dem dreckigen Betonboden. Der Außenbereich, in dem weitere Zwinger und Hütten zur Verfügung stehen würden, wird gar nicht genutzt.
„Das Public Shelter machte auf uns einen beklemmenden Eindruck. Bereits beim Betreten spürte man den Geruch von Tod, ähnlich wie in Schlachthäusern. Auf einer Tür stand das Wort Morgă, was übersetzt ‘Leichenschauhaus’ bedeutet. Darin lagen zwei verschlossene Müllbeutel.“
Der Besuch der Tötungsstation in Târgu Jiu geht uns sehr nahe. Für uns steht fest: Wir müssen etwas tun! Foto: Ben Mangelsdorf
Die Hunde, die dem Massaker am 12. August entgangen sind, vegetieren in diesem Ort des Todes vor sich hin. Viele sind verletzt und krank. Sie müssten dringend medizinisch behandelt werden, doch dies bleibt ihnen verwehrt.
„Viele Hunde befanden sich in einem jämmerlichen Zustand. Sie hatten offene Wunden und verfilztes Fell. An ihren langen Krallen konnte man erkennen, wie lange sie da schon einsitzen.“
Viele der Hunde in der Tötungsstation sind in einem desolaten Zustand. Foto: VETO
Manche Hunde, die noch nicht so lange im Shelter sind, blicken uns noch erwartungsvoll an, haben noch ein wenig Hoffnung.
Doch viele wagen es nicht einmal ans Gitter zu kommen. Sie weichen unserem Blick aus und würden am liebsten unsichtbar sein, um kein weiteres Leid mehr über sich ergehen zu lassen. Die Hunde in Târgu Jiu erwarten gar keine Freude oder Zuwendung mehr, sie wollen einfach nicht mehr leiden müssen.
Wenn ein Hund doch einmal bellt, wird er sofort von den Mitarbeitenden zurechtgewiesen, das Leid der Tiere wird missachtet.
Narben, offene Wunden, verfilztes Fell: Die Hunde werden in der Tötungsstation einfach nur verwahrt. Dass sie leiden, interessiert den Betreiber nicht. Foto: VETO
Das große Leid und das verheerende Schicksal der Hunde in Târgu Jiu berührt uns zutiefst. Die Tiere scheinen ihre aussichtslose Lage erkannt zu haben. Nur noch in ihren Träumen können sie ihrem trostlosen Dasein zumindest für kurze Zeit entkommen.
„Ich habe einen Hund gesehen, komplett verzottelt und mit kahlen Stellen im Fell, der auf dem Boden lag und träumte. Seine Pfoten bewegten sich dabei. Das hat mir mein Herz gebrochen, weil ich dachte, er träumt gerade, dass er über eine grüne Wiese läuft.“
Dieser Ort hat die Hunde gebrochen. Sie haben aufgegeben und blicken Tag für Tag resigniert ins Leere.
Viele der Hunde in der Tötungsstation scheinen verstanden zu haben, das es für sie kein Entkommen gibt. Sie vegetieren nur noch vor sich hin. Foto: VETO
„Am liebsten würdest du jeden Einzelnen von ihnen in den Arm nehmen, in deine Jacke packen und ihn da raustragen. Ohne einen einzigen Hund im Arm da rauszugehen, ist für mich das härteste.“
Das sinnlose Leid beenden: Kastrieren statt Töten
Der einzige Weg, das Leid auf den rumänischen Straßen und in den Tötungsstationen wie jener in Târgu Jiu zu verhindern, ist, mit Kastrationsprogrammen die Population an Straßenhunden einzudämmen. Nur flächendeckende Kastrationen bieten eine nachhaltige Lösung, um den sinnlosen Tod der Tiere zu stoppen.
Mit unserer Kampagne Zum Tode Verurteilt setzen wir genau da an. Ziel ist es, ein Kastrationsmobil zu finanzieren, das jährlich tausende Eingriffe ermöglicht. Gleichzeitig möchten wir mit Futterspenden sicherstellen, dass kein Hund hungern muss, während wir an nachhaltigen Lösungen arbeiten.
Hilf uns, langfristig Leben zu retten. Mach mit uns für die Hunde in Târgu Jiu einen Unterschied!
Deine Stimme gegen Tötungen in Târgu Jiu
Wir möchten auch politisch Druck machen. Deshalb fordern wir mit unserer Petition die rumänischen Behörden dazu auf, statt brutaler Tötungen flächendeckende Kastrationsprogramme zu unterstützen, um die Straßenhundepopulation auf humane und nachhaltige Weise zu kontrollieren.
Unterzeichne jetzt unsere Petition und teile sie mit deinem Umfeld. Nutze deine Stimme und hilf den Hunden in Rumänien dabei, dem Tod zu entkommen!