Magazin · Tierschutz aktiv · 18. August 2022 · 5 Min. Lesezeit
Ein sicherer Ort für behinderte Hunde: VETO besucht die Villa Hinkefuß
Die Schützlinge von Petra Schönle stammen aus Rumänien, Bulgarien oder der Ukraine. In Kevelaer am Niederrhein erhalten Hunde mit und ohne Handicap neben Schutz und Pflege das, was sie besonders dringend brauchen: eine große Portion Liebe. Im Interview berichtet die Tierschützerin von ihrem Herzensprojekt, der Villa Hinkefuß.
Dorie aus Rumänien lebt in der Villa Hinkefuß ein glückliches Hundeleben. Foto: VETO
Umgeben von Feldern und Wiesen, eigebettet in die ländliche Idylle der Stadt Kevelaer am Niederrhein steht die Villa Hinkefuß. Seit 2019 nimmt Tierschützerin Petra Schönle hier Hunde auf, die anderswo kaum eine Chance hätten. Die meisten von ihnen sind ehemalige Straßentiere, die gerettet wurden und nun in der Villa Hinkefuß ein Zuhause gefunden haben. Das Besondere: Viele der aufgeweckten Hunde sind behindert.
Als wir von VETO Petra an einem warmen Sommertag besuchen, begrüßen uns die dreibeinigen oder auch gelähmten Hunde freundlich und überraschend stürmisch. Nach etlichen Streicheleinheiten für die Hunde beantwortet Petra uns alle Fragen rund um die Villa Hinkefuß und das Zusammenleben mit behinderten Tieren.
Liebe Petra, was hat es mit dem Projekt Villa Hinkefuß auf sich?
Mit Tierschutz habe ich mich schon länger beschäftigt und die Villa Hinkefuß gibt es jetzt seit 2019. Wir machen viel mit behinderten Hunden. Die Villa Hinkefuß ist ein Sprungbrett für behinderte Hunde, damit sie hier in Deutschland eine Chance auf eine Vermittlung haben.
Die Schützlinge von Petra Schönle freuen sich über den Besuch des VETO-Teams. Streicheleinheiten gibt es natürlich für alle. Foto: VETO
Aus welchen Ländern kommen die Hunde, die jetzt hier in der Villa leben?
Hauptsächlich kommen die Tiere aus Rumänien, eine Hündin aus Bulgarien ist auch aktuell hier und zwei Hunde aus der Ukraine.
Warum ist es besonders für behinderte Tiere wichtig, einen speziellen Ort zu haben, wo sie untergebracht und gepflegt werden?
Leider haben viele Tierheime und auch viele Adoptanten Berührungsängste gegenüber behinderten Hunden. Wenn sie dreibeinig sind oder vielleicht ein kaputtes Auge haben, ist das noch okay. Das sind kleinere Handicaps. Sobald ein Hund gelähmt ist, gucken alle gerne weg. Sie merken dann gar nicht, dass diese Tiere Hilfe brauchen und ein genauso gutes Leben führen können wie andere Hunde.
Wie bist du dazu gekommen, behinderten Hunden zu helfen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Ja, das gab es tatsächlich. Ich habe sehr schnell entdeckt, dass ich dreibeinigen Hunden oder Hunden mit kaputten Pfoten helfen möchte. Vor etwa vier Jahren hatte ich das erste Mal Berührung mit einer gelähmten Hündin: Amy. Sie war in Rumänien und dort habe ich sie auch kennengelernt. Vorher habe ich immer gesagt, dass ich gelähmte Hunde nicht aufnehmen kann, weil ich das nicht schaffe. Aber als ich Amy kennengelernt habe, war mir klar: Ich muss ihr helfen.
Wir hatten für sie auch schon ein Zuhause in Deutschland gefunden, doch die Leute haben zwei Tage vor der Ausreise abgesagt. Und dann habe ich gesagt, sie muss trotzdem kommen! Irgendwie kriegen wir das hin. Und das war das erste Mal, dass ich einen gelähmten Hund aufgenommen hatte.
„Sobald ein Hund gelähmt ist, gucken alle gerne weg.“
Wie kann man sich das Leben und den Alltag mit einem behinderten Hund vorstellen?
Es ist natürlich anders. Behinderte Hunde haben andere Bedürfnisse und einen erhöhten Pflegeaufwand. Die meisten gelähmten Hunde können nicht selbstständig die Blase entleeren. Da muss man schon mal nachhelfen. Es gibt also ein bestimmtes Blasen-Management, das einzuhalten ist. Aber es ist kein Hexenwerk. Man kann das alles lernen – musste ich auch! Ich kannte es vorher auch nicht, aber inzwischen geht es mir leicht von der Hand. Deshalb ist ein gelähmter Hund nicht viel aufwendiger in der Pflege als ein nicht-behinderter Hund. Sie wollen spazieren gehen, essen, spielen.
Was das Zubehör angeht, muss man natürlich schauen, was die Tiere brauchen. Ein Rolli ist eine einmalige Anschaffung. Logisch: Dann und wann braucht man mal ein Ersatzteil und teilweise spezielle Schuhe. Was noch dazu kommt, sind Physiotherapien. Doch das ist alles lernbar. Es macht mir Spaß, solchen Hunden zu helfen.
Wie viele Schützlinge leben aktuell in der Villa Hinkefuß?
Aktuell leben hier zehn Hunde, davon sind drei gelähmt und zwei sind dreibeinig unterwegs.
Wie kommen die Hunde eigentlich nach Deutschland?
Mit zwei, drei Personen aus Rumänien arbeite ich schon lange zusammen. Dort wird mir Bescheid gegeben, wenn ein Tier meine Hilfe braucht. In Rumänien müssen die Hunde aber erst einmal aufgepäppelt und geimpft werden. Erst drei Wochen nach der ersten Impfung dürfen sie einreisen. Das geschieht dann mit speziellen Transporten, die Hunde aus dem Ausland nach Deutschland bringen. Hier in Deutschland holen wir sie dann ab.
Wie sieht dein Alltag in der Villa Hinkefuß aus?
Mein Wecker klingelt schon um fünf, der Hundewecker klingelt erst später. Wenn ich aufstehe, rührt sich hier noch niemand. Wenn die Ersten wach werden, öffne ich die Türen und die nicht-gelähmten Hunde dürfen dann eigenständig in den Garten gehen. Die Gelähmten hebe ich dann, wenn sie irgendwann die Augen aufmachen, in ihre Rollis, so dass sie dann auch durch den Garten rollen können. Ihre Blase muss ich vorher einmal ausdrücken und manchmal haben sie bereits etwas Kot verloren. Das muss ich dann natürlich sauber machen. Später gibt es dann die Fütterung, die aber für alle gleich ist.
So ein Rollihund kann nicht den ganzen Tag im Rolli bleiben. So ein oder zwei Stunden – je nachdem, wie der Hund drauf ist. Dann hole ich den Hund wieder aus dem Rolli raus. Die Hunde haben hier einen Laufstall und einen Bereich, in dem sie alleine robben können. Auf dem Betonboden können die Hunde nicht robben. Dort würden sie sich die Beine aufreißen.
Gelähmte Hunde neigen zu Blasenentzündungen, weil sie die Blase nicht komplett ausleeren können, aber davon abgesehen werden sie nicht häufiger krank als Hunde, die nicht behindert sind. Tierärzte sehen uns eigentlich recht selten. Wir machen hier so viel wie möglich selbst.
Den Besuch des VETO-Teams bei der Villa Hinkefuß gibt es auch zum Hören:
Vermittelst du die Hunde?
Ich würde sie sehr gerne vermitteln, doch viele Menschen haben große Scheu, einen behinderten Hund aufzunehmen. Eine Team-Kollegin von mir hat es gewagt und den gelähmten Tobi bei sich aufgenommen. Sie hatte sich in ihn verliebt und gelernt, was er braucht. Es wäre schön, wenn noch mehr Leute das machen würden. Man kann sich gerne über unsere Facebook-Seite bei mir melden und unverbindlich hier in der Villa Hinkefuß vorbeikommen: einfach mal selbst sehen, wie die Rollihunde flitzen, spielen und Spaß haben. Alles Weitere können wir dann in Ruhe besprechen. Mir ist wichtig, dass meine Schützlinge in ein Zuhause kommen, das gut zu ihnen passt.
Für Dorie hatte ich bereits etliche Anfragen, doch spätestens bei dem Wort Blasen-Management entscheiden sich die Menschen dann doch gegen sie. Man muss sich bewusst sein, dass das Leben mit einem gelähmten Tier eben doch ein wenig anders ist.
Ausgelassen tobt Rollihündin Dorie mit ihrer dreibeinigen Freundin Lana durch den Garten der Villa Hinkefuß. Foto: VETO
Erzähl uns doch mal die Geschichte von Dorie!
Dorie hieß ursprünglich Glorie. Sie kam schon als Welpe zu mir und war ziemlich verrückt drauf. Irgendwann sagte jemand, sie ist ein bisschen wie Dorie aus dem Film „Findet Nemo“ und ich dachte, der Name passt perfekt. Dorie ist ein ehemaliger Straßenhund, der als Welpe ausgesetzt wurde oder schon auf der Straße geboren wurde. Als Dorie circa sechs Wochen alt war, wurde sie in Rumänien im Straßengraben gefunden – mehr tot als lebendig. Sie konnte sich nicht bewegen und wäre elendig gestorben, wenn sie nicht gefunden worden wäre.
Ich habe damals ein Video von Dorie zugeschickt bekommen und mich direkt in sie verliebt. Obwohl es eigentlich nicht geplant war, habe ich Dorie nach Deutschland reisen lassen. Seitdem ist sie hier und hat schon einige Fortschritte gemacht. Sie ist sehr gewachsen, das hatte ich nicht erwartet. Eine echte Zuckermaus!
Definitiv ist ihre Wirbelsäule durchgebrochen und steht auch schräg. Die Erwartung, dass sie irgendwann wieder laufen wird, liegt fast bei null. Ein bisschen Gefühl in den Hinterbeinen hat sie noch. Wir werden sehen, wie es weitergeht.
Vielen Dank für das Gespräch, Petra!
Petra Schönle ist Tierschützerin mit einem großen Herz für behinderte Tiere. In der Villa Hinkefuß konnten wir von VETO mit eigenen Augen sehen: Dorie, Lana, Tobi und die anderen Hunde mit Handicap genießen ihr Leben in vollen Zügen. In Kevelaer bekamen sie die Chance auf ein artgerechtes Hundeleben mit viel Zuwendung, Pflege und Liebe. Die Tierschutzarbeit von Petra Schönle kannst du unterstützen indem du eine Patenschaft für einen ihrer Schützlinge übernimmst oder der Villa Hinkefuß einen Besuch abstattest.
Die beste Gelegenheit dafür ist am Sonntag, den 4. September 2022 beim Tag der offenen Tür. Nähere Infos findest du auch auf der Facebook-Seite der Villa Hinkefuß.