Magazin · Tierschutz aktiv · 17. Juli 2023 · 5 Min. Lesezeit
Tierschutz bei sengender Hitze: VETO vor Ort in Portugal
Wenn die Temperaturen in Südeuropa steigen, ist die Situation in den Tierheimen besonders dramatisch. Hunde und Katzen leiden unter der extremen Wärme, Krankheiten übertragen sich schnell und etliche Vierbeiner werden in der Urlaubszeit einfach ausgesetzt. Wir von VETO besuchen im Mai 2023 zwei Tierheime in Portugal und verschaffen uns einen Eindruck.
Gemeinsam mit seinen Geschwistern wurde dieser kleine Kater einfach in einem Müllbeutel entsorgt. Foto: VETO
Knapp unter 30 Grad Celsius zeigt das Thermometer an, als wir von VETO vor dem Tierheim APA in Torres Vedras in der Nähe von Lissabon parken. Unterstützt wird APA vom deutschen Tierschutzverein HOPE4friends, mit dessen Hilfe wir unseren Besuch organisiert haben. Bevor wir das Tierheim betreten, nehmen wir noch einmal einen großen Schluck Wasser zu uns, denn schon jetzt am frühen Vormittag ist absehbar, dass der Tag noch mehr Hitze mit sich bringen wird.
Ausgestattet mit Kameras, Mikrofonen und vielen Fragen schreiten wir durch zwei kleine Tore und werden direkt stürmisch begrüßt von einer Gruppe kleiner Hunde, die sich im Eingangsbereich frei bewegen darf. Wir sind heute hier, um die Tierschutzarbeit in Portugal selbst mitzuerleben und die Situation der Hunde und Katzen im Land mit eigenen Augen zu sehen.
Bildungsprojekte für eine bessere Zukunft im Tierschutz
Tierheimleiterin Vania begrüßt uns herzlich und führt uns herum. Sie ist schon seit einigen Stunden im Tierheim und strotzt voller Energie. Doch auch sie berichtet uns: Im Hochsommer ist die tägliche Arbeit mit den Tieren unfassbar anstrengend. In Torres Vedras wird es dann um die 40 Grad Celsius warm, so dass ein großer Teil der täglichen Arbeiten am Abend erledigt wird. Momentan plant Vanias Team den Bau von stabilen Schattenspendern für die Hunde, damit sie Schutz vor der Wärme finden können. Segeltücher, die im vergangenen Sommer den Hunden Schatten schenkten, sind bei einem heftigen Sturm zerstört worden.
Alle Zwinger und auch das Katzenhaus sind sehr liebevoll gestaltet. Vania und ihr Verein sind im Ort gut vernetzt. Wenn ein Baumarkt Fliesen oder andere Materialien übrig hat, werden sie dem Tierheim gespendet. Auch alte Handtücher, Körbchen und der ein oder andere Futtersack findet über private Kontakte den Weg zu APA. Und dennoch: Besonders im spendenarmen Sommer ist das Futter immer knapp, erzählt Vania.
Sehr am Herzen liegt Vania das Bildungsprojekt, das ihr Verein vor einigen Jahren ins Leben gerufen hat. Schulklassen oder andere Gruppen mit Kindern und Jugendlichen verbringen mehrere Stunden im Tierheim. Sie spielen mit den Welpen, dürfen bei der Arbeit zusehen und im Katzenhaus mit den Katzen kuscheln. Dabei vermittelt eine Mitarbeiterin des Tierheims ihnen spielerisch alles, was sie über den richtigen Umgang mit Hunden und Katzen wissen müssen. Während unseres Besuchs ist eine Schulklasse mit ihrer Lehrerin anwesend.
Hilflose Jungtiere kriegen eine Chance
Im Tierheim APA fällt uns sofort auf, dass extrem viele Welpen und Kitten hier untergebracht sind. Winzige Katzenbabys, die noch mit der Flasche aufgezogen werden, Welpen, die heute ihre erste Impfung erhalten und auch neugeborene Hunde mit Muttertier – sie alle sind hier im Tierheim untergebracht. Und ständig werden es mehr! Vania erhält einen Anruf: Eine Frau hat in einem Müllcontainer einen Sack mit Babykatzen gefunden. Sofort fährt eine Mitarbeiterin los, um die Kleinen in Obhut zu nehmen. Fast zeitgleich wird eine Malteser-Hündin mit ihren Jungen abgegeben. Wir stellen Vania die Frage, warum so viele junge Tiere im Tierheim landen.
Ein riesiges Problem sei, so Vania, dass in Portugal viele Hunde und Katzen nicht kastriert würden. So passiere es, dass ständig neuer Nachwuchs geboren würde – entweder bei den Menschen zu Hause oder auf der Straße. Tiere dann auszusetzen oder sich einfach nicht um sie zu kümmern, sei keine Seltenheit.
Wir dürfen die kleinen Hunde und Katzen auf den Arm nehmen und ihnen für einen Moment unsere Zuwendung schenken. Spätestens jetzt wird uns klar: Diese zerbrechlichen Wesen hätten ohne die Hilfe von APA wohl nicht überlebt. Wir sind stolz, heute die Menschen kennenzulernen, die hinter den Rettungsaktionen, der Pflege und der Versorgung der Tiere stecken.
Dieser Welpe muss rasch zu Kräften kommen, damit die Hitze in Portugal ihm nicht zu sehr zusetzt. Foto: VETO
Im Verlauf des Tages sind wir bei verschiedenen Begebenheiten dabei, die für uns ergreifend, für die Tierschützer:innen in Portugal aber alltäglich sind. Eine Straßenhündin wurde in der Nähe gesichtet und konnte vom Tierheim-Team sanft eingefangen werden. Bei ihrer Ankunft im Tierheim ist die große Hündin freundlich und aufgeregt. Ihr Fell ist – das ist üblich bei diesen Temperaturen – voller Parasiten. Vania überprüft als Erstes, ob das Tier einen Microchip hat, was nicht der Fall ist. Damit steht fest, dass die Hündin im Tierheim bleiben wird. Eine Helferin säubert die friedliche Hündin und befreit sie notdürftig von einigen Zecken. In einem Zwinger mit einer großen Portion Futter wird sie nun untergebracht und kann sich erholen. Am nächsten Tag wird die Tierärztin nach ihr sehen und ihren Gesundheitszustand begutachten.
Gespannt beobachten wir ein tägliches Ritual im Tierheim: Eine große Meute Hunde darf in den Freilauf und dafür gehen andere Tiere zurück in ihre Zwinger. Es ist eindrucksvoll zu beobachten, welch vertrauensvolle Bildung die Tiere zu ihrem Pfleger haben. Sie reagieren sofort auf sein Kommando und wissen genau, wohin sie als nächstes gehen müssen. Den Tieren wird hier offensichtlich so viel Aufmerksamkeit und Liebe geschenkt wie es im stressigen Tierheimalltag eben möglich ist.
Daniel Creutz, Claudia Lemke und Madita Haustein vom VETO-Team sind beeindruckt von der Tierschutzarbeit, die sie in Portugal erleben. Foto: VETO
Ein Ort der Zuflucht: Teresas Hundefarm
Unsere Reise geht weiter nach Águas de Moura zum Tierheim von TiNo e. V. und dem portugiesischem Partnerverein P.A.T.A.S. Liebevoll wird dieser Ort „Hundefarm“ genannt. Und als wir ankommen, verstehen wir, warum.
Mitten auf einem riesigen Grundstück steht das alte Wohnhaus der Tierschützerin Teresa. Das restliche Gelände ist unterteilt in großzügige und kreativ gestaltete Gehege, in denen insgesamt über 400 Hunde leben. Verbunden sind die einzelnen Bereiche mit kleinen Wegen, die mit Granatapfelbäumen, Rosenbüschen und allerlei Blumen bepflanzt sind. Teresa hat hier ein Paradies für ehemalige Straßenhunde geschaffen und kümmert sich Tag für Tag um ihre vierbeinigen Schützlinge – dabei ist Teresa bereits über 70.
Tatkräftige Unterstützung erhält die Portugiesin von Freiwilligen, die ihren Urlaub mit einem Volontariat im Tierheim verbinden. An diesem Tag sind vier Deutsche vor Ort und helfen beim Säubern der Gehege und kümmern sich um die Hunde. Volontär Per Hoffmann erklärt, warum ihm der Aufenthalt so wichtig ist: „Meine Freundin und ich denken darüber nach, uns nächstes Jahr selbst einen Hund anzuschaffen – gerne aus dem Tierschutz. Bei unserer Recherche sind wir auf diese Möglichkeit aufmerksam geworden. Also helfen wir ein paar Tage hier im Tierheim und verbringen dann noch etwas Zeit in Lissabon.“
Auch den Freiwilligen macht die Hitze sichtlich zu schaffen. Ab zwölf Uhr mittags sehen wir niemanden mehr im Tierheim. Alle Menschen haben sich ins kühle Haus zurückgezogen und ruhen sich aus. Auch die Hunde dösen an Schattenplätzen vor sich hin. Besonders den alten Vierbeinern merken wir an, dass die hohen Temperaturen sie schwächen. Im Hochsommer sind besonders die alten, aber auch die neugeborenen Tiere in Gefahr. Manche überstehen die sengende Hitze nicht.
Hilfe in der Not: VETO unterstützt Wiederaufbau von Teresas Tierheim
Während wir einen der kleinen Wege auf der Hundefarm entlanggehen, fällt uns auf, dass die Gehege unterschiedlich beschaffen sind. Auf der linken Seite sehen wir bauliche Erhöhungen, Podeste aus Beton und Holz und Rampen, über die die Hunde laufen können. Zu unserer Rechten wirken die Gehege eher ebenerdig und weniger eingerichtet. Teresa berichtet uns von der Überschwemmung im Dezember 2022, wo durch tagelangen Starkregen ihr komplettes Tierheim unter Wasser gesetzt wurde. Sie erzählt, wie die einzige Volontärin, die zu dieser Zeit im Tierheim war, unter Tränen alle Hunde gerettet hat, die in Gefahr waren. Alle Gehege und die Futtervorräte wurden damals zerstört.
Heute ist ein großer Teil des Tierheims wiederaufgebaut und falls erneut ein solcher Ernstfall eintreten sollte, sind die Hunde durch die fest eingebauten Podeste besser geschützt. In den anderen Gehegen müssen diese Maßnahmen noch nachgeholt werden, doch aktuell fehlt es an finanziellen Mitteln und Helfer:innen.
VETO stand Teresa und ihren Schützlingen in dieser Notlage zur Seite und lieferte sofort einen großen Vorrat an Hundefutter, damit die Tiere weiterhin sicher versorgt werden konnten. Dank der Notfall-Hilfe von VETO ist es uns möglich, Tierschützer:innen schnell zu helfen, wenn sie plötzlich in Not geraten.
Den Hunden geht es hier sichtlich gut! Bis sie ein neues Zuhause gefunden haben, führen die Vierbeiner hier im Tierheim ein artgerechtes Leben. Foto: VETO
Abschied aus Portugal
Mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck reisen wir von VETO zurück nach Deutschland. Wir haben in Portugal Tierschützer:innen getroffen, die für Hunde und Katzen in Not jeden Tag alles geben und dabei über ihre Belastungsgrenzen hinauswachsen. In den schönen Tierheimen, die wir besuchen durften, geht es den Vierbeinern gut.
Doch der Futtermangel stellt besonders im Sommer ein riesiges Problem dar. Bewegt hat uns sehr, dass so viele Kitten und Welpen einfach wie Müll entsorgt werden und nur durch das beherzte Eingreifen der Tierschützer:innen eine Chance haben zu überleben. Positiv blicken wir auf Bildungsprojekte wie das von APA und die vielen freiwilligen Helfer:innen, die ihre Freizeit im Tierheim verbringen.
Wir verlassen Portugal mit einem großen Gefühl der Dankbarkeit. Zu wissen, dass unsere Futterspenden so wertvolle Tierschutzarbeit wie die von Vania und Teresa unterstützen, macht uns stolz. Doch wir haben nun auch mit eigenen Augen gesehen, dass es noch ein weiter Weg ist, bis Hunde und Katzen in Portugal der Respekt entgegengebracht wird, den sie verdienen.
Danke an die Teams von HOPE4friends e. V. und TiNo e. V., die uns diese spannenden Einblicke in die Tierschutzarbeit in Portugal gewehrt haben.