Magazin · Tierschutz aktiv · 4. Mai 2022 · 5 Min. Lesezeit
Tierschutz hautnah: VETO vor Ort in Griechenland
Sengende Hitze, große Trockenheit und unzählige hungrige Tiere - Im August 2021 reisen Claudia Lemke und Daniel Creutz für VETO nach Griechenland, um sich selbst ein Bild von der Tierschutzsituation vor Ort zu machen und Menschen zu treffen, die Hunden und Katzen in den heißen Sommermonaten beistehen.
Über den Besuch aus Deutschland freuen sich die Vierbeiner in den griechischen Tierheimen sehr. Hier macht Daniel Creutz Bekanntschaft mit einem Hund, der ihm beim Fotografieren nicht von der Seite weicht. Foto: VETO
Schon bei ihrer Ankunft in Thessaloniki fallen Daniel Creutz und Claudia Lemke die vielen Straßenkatzen in der Nähe des Flughafens auf. Teilweise scheu, manchmal aber auch zutraulich streunen sie um Müllcontainer und Imbissstände herum. Einige wirken sehr dünn und ihr Fell ist schmutzig und stumpf, doch viele sehen sehr gepflegt aus und stolzieren durch die Gegend. Daniel und Claudia ahnen zu diesem Zeitpunkt nicht, dass sie heute noch viele weitere Katzen treffen werden.
Ihr erster Stopp führt die beiden zu einem kleinen Supermarkt, wo sie sich mit Wasser und natürlich auch ausreichend Hunde- und Katzenfutter eindecken. Als sie den Laden verlassen, bietet sich ihnen ein für sie ungewöhnliches Bild: Im Schatten des Gebäudes döst ein ganzes Rudel Straßenhunde friedlich vor sich hin. Die Tiere wirken entspannt. In Deutschland wäre es undenkbar, dass gleich mehrere Straßenhunde ein Nickerchen am Ausgang eines Supermarkts halten. Hier in Thessaloniki wundert sich niemand über diesen Anblick.
Freilebende Hunde und Katzen gehören in den meisten Städten Griechenlands ganz selbstverständlich dazu. Das Problem: Kaum jemand kümmert sich verlässlich und verantwortungsvoll um die Vierbeiner.
Mit dem Tierfutter im Gepäck fahren Daniel und Claudia nach Peraia, von wo aus sie in den kommenden Tagen zu vielen spannenden Verabredungen aufbrechen werden.
Katzen in allen Farben sind in griechischen Städten allgegenwärtig. Doch viele von ihnen leiden unter dem harten Leben auf der Straße. Foto: VETO
Peraia: Straßenkatzen überall
Trotz der großen Hitze machen sich Daniel und Claudia auf den Weg durch die Straßen von Peraia, um sich einen Eindruck von der Situation der Straßentiere vor Ort zu machen. Bereits im Vorfeld hatten die beiden von Tierschützer:innen erfahren, dass extrem viele Katzen auf der ständigen Suche nach Futter durch die Gegend streunen. Und tatsächlich: Überall treffen die beiden auf Straßenkatzen jeden Alters. Dabei fällt ihnen auf, dass viele der Tiere sehr gepflegt und vital wirken, obwohl sie jeden Tag den Gefahren der Straße ausgesetzt sind. Katzen leiden im Verborgenen. Krankheiten oder Unterernährung sind den zarten Vierbeinern oft nicht anzusehen.
Die Katzen wirken fast alle sehr scheu und schrecken zurück, wenn Menschen sich nähern. Sie gehören ganz selbstverständlich zum Bild der Stadt dazu. Ihre Nahrung finden sie meist in Müllcontainern. Ab und zu wird ihnen auch von Menschen aus der Nachbarschaft eine Portion Katzenfutter bereitgestellt, doch natürlich reicht das Futter nicht für alle Katzen – es sind einfach zu viele! Die Tiere vermehren sich untereinander rasend schnell, denn kastriert sind sie nur selten.
Tierschutzvereine in Europa sind sich einig: Für Straßentiere wie diese sind gezielte Kastrationskampagnen die einzige wirkungsvolle Lösung, um weiteres Leid zu verhindern.
Zafi, die Heldin von Grevena
Am zweiten Tag ihrer Griechenland-Reise folgen Claudia und Daniel der Einladung einer Tierschützerin aus Grevena. Zafeiroula Tegou, genannt Zafi, kümmert sich dort alleine um etwa 120 Hunde. Ende 2013 hat sie gemeinsam mit einem kleinen Team das Tierheim übernommen, das vormals der Stadt gehörte. Die Hunde waren damals in einem schrecklichen Zustand und in viel zu engen Zwingern eingesperrt. Zafi baute das Tierheim um, so dass ihre Schützlinge sich nun frei bewegen und ein artgerechtes Leben führen können.
Als Daniel und Claudia Zafis Tierheim besuchen, befinden sich auch 30 Welpen in ihrer Obhut, die besonders viel Pflege und Zuwendung benötigen. Ohne zu klagen berichtet die Tierschützerin von ihrem Alltag: Morgens füttert und versorgt sie alleine alle 120 Hunde, danach fährt sie zu ihrer Arbeit. Abends besucht sie dann einige Futterstellen, um Straßenkatzen und -hunde zu verpflegen.
Der Besuch aus Deutschland darf Zafi einen Tag lang begleiten. Gemeinsam kümmern sie sich um die Hunde im Tierheim und fahren zu acht Futterstellen in der Umgebung: Einige liegen idyllisch im Wald, andere befinden sich neben großen Parkplätzen von Supermärkten.
Abends sind Claudia und Daniel ganz schön erschöpft. Tierschutz in Griechenland ist ein echter Knochenjob! Zafi schleppt bei Temperaturen um die 40 Grad Celsius schwere Wasserkanister und Futtersäcke, säubert Zwinger und opfert ihre komplette Freizeit den Tieren. Ihre Liebe zu den Vierbeinern spornt sie Tag für Tag an, weiterzumachen. Ohne sie wären die Hunde und Katzen schutzlos auf sich allein gestellt.
Für Zafi ist die Arbeit in ihrem Tierheim eine Herzensangelegenheit. Für ihre Schützlinge wünscht sie sich das bestmögliche Hundeleben. Foto: VETO
Ein Besuch in Thessaloniki
Am nächsten Tag brechen Claudia und Daniel früh auf, um ein Tierheim in Thessaloniki zu besuchen. Der Verein, der dieses Shelter unterstützt, ist VETO angeschlossen und die Leiterin des Tierheims freute sich schon im Vorfeld sehr auf den Besuch aus Deutschland. Evgenia Kazenia, die von allen nur Zenia genannt wird, kümmert sich seit über zwanzig Jahren um heimatlose Vierbeiner in Griechenland. Als Claudia und Daniel das Tierheim betreten, werden sie äußerst stürmisch begrüßt: Rund 40 Hunde springen aufgeregt herum und möchten am liebsten alle gleichzeitig gestreichelt werden.
Zenia versorgt neben diesen Hunden noch etwa 50 Katzen im Tierheim und hunderte Tiere, die auf der Straße leben. Für sie ist ihr Tierheim ein Herzensprojekt! Am liebsten würde sie noch mehr Schützlinge aufnehmen, doch der Platz reicht einfach nicht aus.
Gerade im Sommer sei die Situation für Straßentiere bedrohlich, berichtet die Tierschützerin. Viele Welpen und Kitten würden geboren und in der Umgebung gebe es Menschen, die die streunenden Vierbeiner vergiften oder absichtlich überfahren, erzählt Zenia. Auch das Aussetzen von Haustieren nehme – laut Zenias Schilderungen – in den Sommermonaten zu und viele Familien in Griechenland ließen ihre Haustiere einfach irgendwo zurück, wenn sie in den Ferien verreisten.
Zenia führt die beiden Deutschen durch ihr Tierheim und später durch die Straßen von Thessaloniki. Sie zeigt ihnen die Futterstellen, an denen sie Straßentiere versorgt. Schwanzwedelnd warten schon einige Hunde auf ihre tägliche Portion Trockenfutter. Ohne Zenias Hilfe, wären viele dieser Tiere vermutlich nicht mehr am Leben. Die Tierschützerin schaut sich die Tiere während jeder Fütterung genau an: Wirkt ein Tier krank oder verletzt, sorgt Zenia für die nötige medizinische Behandlung.
Zenias Tiere haben Glück: Bei der Tierschützerin sind sie in Sicherheit. Foto: VETO
Ein Stück heile Welt in Chalkidiki
Steil bergauf geht es für unser Team aus Deutschland am nächsten Tag: Chalkidiki liegt in einem Gebiet, das von Olivenhainen gesäumt ist und sauber und idyllisch wirkt – wie ein Urlaubsort, an dem man ein paar schöne Tage verbringt. Das Tierheim, das die beiden besichtigen möchten, liegt auf einem steilen Berg. Die Fahrt dorthin ist beschwerlich und aufregend. Dass die Tierschützerin Samira, die die Vierbeiner in diesem Shelter betreut, diese Strecke mehrmals täglich zurücklegt, beeindruckt Daniel und Claudia.
Samira kommt ursprünglich aus Deutschland und hat nach eigener Aussage hier in Griechenland einen Ort geschaffen, in dem Tiere Raum zum Leben haben, in dem kein Chaos herrscht und sie in Sicherheit sind. Ihr ist wichtig, in ihrem Tierheim einen gewissen Standard zu halten. Alle Hunde haben hier viel Platz, die Zwinger, aber auch die komplette Tierheimanlage sind sehr sauber. Überall gibt es schattenspendende Bäume und Unterstände, um die Hunde vor der Hitze und der starken Sonneneinstrahlung zu schützen.
Samira nimmt nicht jedes Straßentier auf, das ihr gemeldet wird. Sie kümmert sich dann lieber um die Vermittlung in ein anderes Tierheim oder eine Pflegestelle. Trotzdem ist ihr Tierheim mit 60 bis 70 Hunden ausgelastet und Samira oft am Ende ihrer Kräfte. Vor 35 Jahren zog sie nach Griechenland, um im Tierschutz etwas zu bewegen. Dafür engagiert sie sich auch politisch.
Claudia Lemke fängt das Leben der freilebenden Hunde in Griechenland fotografisch ein. Foto: VETO
Die Hunde in den Wäldern
Zurück in Thessaloniki treffen Daniel und Claudia Efi, eine Tierschützerin, die Straßentiere versorgt, aber auch Kastrationen organisiert. Gezielte Kastrationen würden die Population freilebender Katzen und Hunde eindämmen, denn die Tiere würden sich dann nicht mehr unkontrolliert vermehren. Finanzielle Mittel oder Fachpersonal wird von Städten und Gemeinden jedoch unzureichend bereitgestellt.
Laut griechischem Tierschutzgesetz sind streunende Tiere Eigentum der Gemeinde und dürfen deshalb nicht einfach eingefangen und kastriert werden. Tierschützerinnen wie Efi müssen also kreativ werden, um Straßentiere kastrieren zu lassen. Sie berichtet von Kastrationen in Privatwohnungen und Tierärzt:innen, die kostenlos arbeiten, weil ihnen das Wohl der Vierbeiner am Herzen liegt.
Gemeinsam mit einer weiteren Tierschützerin aus Thessaloniki und Efi fahren die beiden Deutschen noch zu einer Futterstelle mitten im Wald – ein Ort, den sie sonst niemals gefunden hätten. Hier leben viele Straßenhunde, die vermutlich irgendwann im Wald ausgesetzt wurden. Efi versorgt sie mit Futter und achtet darauf, dass sie gesund bleiben.
Verzweiflung und Hilflosigkeit in Asprovalta
In Asprovalta sind Daniel und Claudia mit der Tierschützerin Olga verabredet. Die 75-jährige Griechin spricht sehr gut deutsch und freut sich, dass sie Besuch in ihrem Tierheim empfangen kann. Für gewöhnlich ist Olga hier alleine – mit 85 Hunden. Unter Tränen berichtet sie, wie erschöpft sie manchmal ist. Das Schicksal vieler Straßentiere macht ihr zu schaffen. Besonders die Tatsache, dass Welpen und Kitten oft einfach lebendig in Müllcontainer geworfen werden, lässt Olga verzweifeln. Sie versteht auch nach vielen Jahren aufopferungsvoller Tierschutzarbeit nicht, wie Menschen dazu imstande sind.
Olga führt Claudia und Daniel durch ihr Tierheim. Die Hunde wirken freundlich und ausreichend genährt. Ohne Futterspenden aus Deutschland könnte sie ihre Schützlinge jedoch nicht so gut versorgen, sagt die Griechin und muss erneut weinen.
Das Schicksal ihrer Hunde berührt Tierschützerin Olga sehr. Foto: VETO
Tag der Abreise
Mit gemischten Gefühlen verlassen Daniel und Claudia Griechenland. Viele Eindrücke und Emotionen begleiten die beiden. Sie durften auf ihrer Reise Menschen kennenlernen, die sich mit aller Kraft und gegen jeden Wiederstand für Hunde und Katzen in Not einsetzen. In großen Städten wie Thessaloniki scheinen Tierschützende gut organisiert und vernetzt zu sein, in ländlicheren Regionen sind sie meist auf sich allein gestellt.
Futterbeschaffung, Wasserversorgung, Reinigung und medizinische Pflege – all das gehört zum Alltag der Menschen, die sich in Griechenland für schutzlose Tiere einsetzen. Unterstützung erhalten sie selten. Dennoch halten sie durch, denn Tierschutz ist für sie vor allem eins: eine Lebensaufgabe.
Uns von VETO ist es wichtig, den Tierschützer:innen zu zeigen: Wir lassen euch nicht im Stich! Unsere Besuche vor Ort zeigen dem ganzen VETO-Team immer wieder, welch starke und aufopferungsvolle Persönlichkeiten hinter den uns angeschlossenen Tierschutzvereinen stehen.
Wir sind stolz darauf, diese Menschen weiterhin mit Futterspenden und finanzieller Hilfe unterstützen zu können und ihre Geschichten in die Öffentlichkeit zu tragen. Denn je mehr Menschen auf die Arbeit der Tierschützer:innen aufmerksam werden, desto mehr kann ihre Tierschutzarbeit auch bewirken. Nur gemeinsam können wir den Tierschutzgedanken in Ländern wie Griechenland weiter vorantreiben.
Auch du kannst ein Stück zur Veränderung beitragen, indem du diesen Beitrag teilst oder mit einer Futterspende Tieren in Griechenland hilfst.